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Das provisorische Flüchtlingslager im nordgriechischen Grenzort Idomeni soll geräumt werden.

© dpa

Update

Griechenland: Räumung von Flüchtlingscamp in Idomeni hat begonnen

Mehr als 8000 Menschen halten sich derzeit in Idomeni an der Grenze zu Mazedonien auf. Athen will das improvisierte Camp binnen zehn Tagen räumen.

Von Matthias Meisner

Die griechischen Behörden haben mit der Räumung des Flüchtlingslagers im nordgriechischen Grenzort Idomeni begonnen. Einheiten der Bereitschaftspolizei sperrten am frühen Dienstagmorgen weiträumig das Lager ab. Ein Hubschrauber überflog die Region. „Wir dürfen nicht ins Lager. Ich sehe mehrere Busse der Bereitschaftspolizei“, sagte ein Fotograf der Deutschen Presse-Agentur vor Ort. Auch das staatliche Fernsehen (ERT) bestätigte unter Berufung auf Polizeiquellen den Start der Aktion.

Ein griechischer Regierungssprecher hatte den "Transfer" von Schutzsuchenden in Aufnahmezentren im Inneren des Landes am Montag angekündigt. Der Einsatz werde rund zehn Tage dauern. An der Aktion nehmen nach Berichten griechischer Medien rund 1400 Polizisten teil. Die Behörden begleiten mehrere Übersetzer, die den Menschen in der eigenen Sprache erklären, sie müssen koordiniert und stufenweise in Busse steigen, um anschließend in die Auffanglager im Landesinneren zu fahren, berichtete das Staatsradio unter Berufung auf die Polizei.  

Aus Angst vor einer Zwangsevakuierung hatten Dutzende Migranten das wilde Lager von Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze verlassen und sich in der umliegenden Region versteckt.

Der Fernsehsender Alpha zeigte Gruppen von Migranten aus Pakistan und Afghanistan, die sich zu Fuß von dem Lager entfernten und in den Feldern westlich von Idomeni verschwanden. Andere Flüchtlinge - meist syrische Familien - verließen gleichzeitig das Lager in Bussen, um in organisierte Auffanglager zu fahren.

Der Flüchtlingskoordinator der Regierung, Giorgos Kyritsis, sagte, dass frühere Industrieanlagen in der Nähe von Thessaloniki für die Unterbringung der Flüchtlinge genutzt werden sollen. Wie aus Regierungskreisen zudem verlautete, soll der Einsatz schrittweise erfolgen, derzeit gebe es rund 6000 freie Plätze in Aufnahmezentren.

Ein Regierungsvertreter sagte, die Polizei werde vor Ort sein und in Idomeni Überzeugungsarbeit leisten, um die Flüchtlinge zum Verlassen des Lagers zu bewegen. Die Behörden hofften, auf den Einsatz von Gewalt verzichten zu können. In Idomeni wurde seit Montag über Lautsprecher über die bevorstehende Räumung informiert. Dem TV-Sender ERT zufolge sollen zusätzliche Dolmetscher den Einsatz begleiten.

Die Regierung in Athen hatte eine Räumung des Elendslagers in den vergangenen Wochen immer wieder angekündigt.

Nach tagelangen Regenfällen hatten sich die sanitären Bedingungen im Camp nochmals verschlechtert. Große Teile des Lagers versanken im Schlamm.

In Polykastro, einem Nachbarort von Idomeni wurden am Montag neben Polizeieinheiten auch Militärfahrzeuge zusammengezogen, darunter mehrere Panzer, wie eine Helferin dem Tagesspiegel berichtete.

Die Verstärkung der Einsatzkräfte in Idomeni wurde von Seiten der Polizei damit begründet, dass eine "Minderheit der Migranten" auf eine Räumung negativ reagieren könnte.

"Wir werden nicht die Kavallerie ins Lager galoppieren lassen"

Regierungskoordinator Kyritsis ließ offen, wie die Aktion im Detail vor sich gehen soll. "Wir werden jedenfalls nicht die Kavallerie ins Lager galoppieren lassen oder eine Art Säuberungsaktion starten", sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

In griechischen Medien wurde spekuliert, ob Kyritsis mit zurückhaltenden Äußerungen nur dafür sorgen will, dass die Situation in Idomeni nicht eskaliert. In der Vergangenheit war es dort immer wieder zu Zusammenstößen zwischen den Lagerbewohnern und der Polizei gekommen.

So versuchten Flüchtlinge und Migranten wiederholt, die Grenze zu stürmen. Die Polizei setzte Tränengas und Blendgranaten ein, auf beiden Seiten wurden Menschen verletzt. Eine unrühmliche Rolle wurde dabei den politischen Aktivisten unter den freiwilligen Helfern zugeschrieben: Sie sollen die Menschen zu den Aktionen angestachelt haben.

Mehrere Busse standen am Montag bereit - zunächst für Flüchtlinge, die freiwillig in andere Camps umziehen wollen.

Freiwillige Helfer verschiedener Organisationen wurden am Montag daran gehindert, das Flüchtlingscamp zu betreten - das betraf am Morgen zum Beispiel den seit Monaten dort aktiven Dresden-Balkan-Konvoi, der eine Teeküche in Idomeni betreibt.

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Der Hilfskonvoi Mosaik aus Düsseldorf berichtete auf Twitter, Freiwillige würden aktuell davon abgehalten, Essen zu verteilen. Eine Sprecherin der Schweizer Organisation "Borderfree" erklärte: "Im Moment sind alle unsere Volontäre ins Camp umgezogen, um bei Anbruch der Räumung unsere Zeltküche und die Zeltschule evakuieren zu können."

Im improvisierten Flüchtlingslager halten sich noch rund 8400 Menschen auf; bisher hatten sie sich stets geweigert, in staatliche Auffanglager umzusiedeln. Für sie hat sich Idomeni als Sackgasse erwiesen. Die Flüchtlinge und anderen Migranten hoffen weiterhin, die Grenze zu Mazedonien könne sich doch noch öffnen und den Weg nach Mittel- und Nordeuropa freigeben. (mit AFP, dpa)

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