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Teil der Gemeinschaft. Griechenland soll Mitglied der Euro-Zone bleiben – diese Versicherung erwartet Premierminister Samaras von Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Hollande.

© dapd

Griechenland: Kauder: Euro-Austritt Griechenlands wäre kein Problem

Vor dem Besuch des griechischen Premierministers Samaras in Berlin hat Unionsfraktionschef Volker Kauder bekräftigt, dass der Krisenstaat weder mehr Zeit noch mehr Geld bekommen soll - und sich zu einem möglichen Euro-Austritt Griechenlands geäußert. Das Misstrauen gegen Antonis Samaras ist groß.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) erwartet, dass die europäische Währungsunion einen Austritt Griechenlands aus dem Euro verkraftet. Er gehe davon aus, "dass es für den Euro kein Problem wäre", sagte Kauder am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin". Mit den Rettungsschirmen habe die Währungsunion "erhebliche Möglichkeiten, damit eine Ansteckung nicht stattfindet". Der CDU-Politiker lehnte weitere Zugeständnisse an Griechenland ab. Bei keinem anderen Fall wie Griechenland treffe der Satz zu, "dass Zeit Geld ist". Er fügte hinzu: "Mehr Geld können wir nicht zur Verfügung stellen." Zunächst müsse aber der Bericht der Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission abgewartet werden. Auch Kanzlerin Merkel hat sich bereits gegen einen Aufschub für Griechenland ausgesprochen.

Samaras aber begibt sich in diesen Tagen auf Werbetour. Das Produkt, für das er sich ins Zeug legt, ist ein runderneuertes Griechenland. Einen grundlegenden Neuanfang in seinem Land verspricht der griechische Premierminister, der an diesem Freitag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet wird und am Tag darauf bei Frankreichs Staatschef François Hollande um Vertrauen werben will. Samaras sagte der französischen Zeitung „Le Monde“, er wolle der deutschen Regierungschefin und dem französischen Präsidenten erklären, „dass Griechenland es schaffen kann und dabei ist, sich zu ändern“. Sogar über einen Verkauf unbewohnter Inseln dachte Samaras in dem Gespräch mit der Zeitung laut nach. Ein entsprechender Vorschlag von Politikern der CDU und FDP hatte im Frühjahr 2010 erheblichen Wirbel ausgelöst.

Für Samaras steht viel auf dem Spiel. Griechenland braucht gegen Ende des Jahres die nächste Hilfszahlung der internationalen Geldgeber in Höhe von 31 Milliarden Euro. Wenn das Geld nicht fließt, ist Hellas pleite. Samaras macht sich bei seiner Reise nach Deutschland und Frankreich allerdings keine Illusionen: Einem griechischen Regierungschef, ganz gleich wie er heißt, schlagen mittlerweile nicht nur in Berlin, sondern in fast allen EU-Hauptstädten Enttäuschung und Misstrauen entgegen. Zu lang ist die Liste der nicht eingelösten Reformversprechen, zu groß sind die Zweifel, ob die Griechen die Kurve überhaupt noch kriegen können – und wollen. Samaras glaubt, nicht mit leeren Händen nach Berlin zu kommen. Er wird Merkel die Grundzüge des neuen Sparprogramms erläutern, mit dem er den Haushalt der beiden kommenden Jahre um 11,5 Milliarden Euro entlasten will.

Video: Merkel will Troika-Bericht abwarten

Er wird vortragen, wie er den aufgeblähten Staatsapparat verschlanken, die Steuerverwaltung auf Vordermann bringen und öffentliche Unternehmen privatisieren will. All das sind freilich nur wieder neue Ankündigungen, wie man sie schon von seinem sozialistischen Vorgänger Giorgos Papandreou gehört hat, der Dutzende Reformgesetze durchs Parlament brachte, aber so gut wie nichts davon umsetzte. Dafür kann man den heutigen Premier zwar nicht haftbar machen, aber Samaras hat auch ein persönliches Handicap: Als Oppositionsführer bekämpfte er den Sparkurs, stimmte im Parlament sogar gegen die Hilfskredite und überwarf sich mit seinen Parteifreunden in der Europäischen Volkspartei (EVP). Erst im November 2011 war Samaras, konfrontiert mit der Gefahr eines unmittelbar drohenden Staatsbankrotts, zur Vernunft gekommen und hatte die Übergangsregierung des parteilosen Technokraten Lucas Papademos gestützt.

In Berlin wird Samaras zwar der Kanzlerin den Wunsch vortragen, das Konsolidierungsprogramm von zwei auf vier Jahre zu strecken, um die sozialen Lasten abzumildern und das Land schneller aus der Rezession zu führen. Eine Zusage darf er aber nicht erwarten – auch wenn sich in Berlin in dieser Frage eine etwas größere Flexibilität anzudeuten scheint. So wird darüber nachgedacht, die Zinsen der bereits gewährten Hilfskredite zu senken und die Laufzeiten zu verlängern. Mehr Zeit könnte Athen bekommen, aber nicht mehr Geld: Samaras weiß, dass es für Angela Merkel derzeit unmöglich ist, neue Hilfskredite vom Bundestag politisch absegnen zu lassen, selbst wenn sie es wollte.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies zwar am Mittwoch darauf hin, dass Griechenland wegen zweier Wahlen viel Zeit verloren habe. „Mehr Zeit ist keine Lösung der Probleme“, sagte Schäuble dem Südwestrundfunk. Mehr Zeit zu geben heiße „im Zweifel mehr Geld“. Entscheidungen könnten aber erst nach Vorlage des Troika-Berichts getroffen werden. In der Koalition hat bislang nur Guido Westerwelle (FDP) für mehr Zeit für Griechenland geworben. Damit ging der Außenminister weiter als SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der keinen Aufschub geben will, falls die Konsolidierungsbemühungen der Griechen unglaubwürdig ausfallen. Der „Frankfurter Rundschau“ sagte Steinmeier aber, falls die Bemühungen der Griechen „flexibel und belastbar“ seien, wäre es „nicht besonders klug“, eine Verlängerung um ein Jahr abzulehnen und „alle Forderungen in den Wind zu schreiben“. Der SPD-Politiker äußerte die Erwartung, in diesem Fall werde auch Merkel einer Streckung des Sparprogramms zustimmen.

Während die Kanzlerin in Sachen Griechenland nur über einen relativ begrenzten innenpolitischen Spielraum verfügt, hat Hollande andere Probleme. Frankreichs Staatschef würde Samaras in der Frage eines zeitlichen Aufschubs zwar gerne weiter entgegenkommen als die Kanzlerin – aber er kann sich zusätzliche finanzielle Risiken bei der Griechenland-Rettung wegen der angespannten Haushaltslage noch weniger leisten als Merkel. Hollande hat für das kommende Jahr eine Senkung der Neuverschuldung auf die vom Maastricht-Vertrag vorgesehene Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes versprochen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss er nach jetzigem Stand den französischen Staatshaushalt 2013 um 33 Milliarden Euro entlasten. Entsprechend einsilbig hören sich in diesen Tagen auch die offiziellen Verlautbarungen in Paris an, wenn es um eine zeitliche Verlängerung des von Samaras verlangten Spar- und Reformprogramms geht. So gab Finanzminister Pierre Moscovici auf diese Frage nur eine knappe Auskunft. Frankreich, so sagte der Pariser Amtskollege von Schäuble sibyllinisch, werde alles tun, um den Fortbestand der Euro-Zone zu sichern.

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