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Syriza-Chef Alexis Tsipras

© AFP

Griechenland: Tsipras lässt die Muskeln spielen

Die Partei des griechischen Linksradikalen könnte bei der Neuwahl zur stärksten Kraft werden – aber sein Programm gegenüber der EU bleibt vage.

Der griechische Linkspolitiker Alexis Tsipras will den Sparkurs beenden und die Kreditverträge mit der Europäischen Union aufkündigen, wenn sein Bündnis der radikalen Linken (Syriza) nach der Wahl in zwei Wochen in Athen an die Regierung kommt. „Wir bitten um die Stimmen der Wähler, um das Memorandum zu annullieren“, sagte Tsipras am Freitag bei der Vorstellung des Wahlprogramms seiner Partei. Eine ebenfalls am Freitag veröffentlichte Meinungsumfrage sieht Syriza mit einem Stimmenanteil von 31,5 Prozent mit deutlichem Vorsprung auf dem ersten Platz, gefolgt von der konservativen Nea Dimokratia (ND) mit 25,5 Prozent. In anderen Umfragen liegt die ND knapp vorn.

Die erste Maßnahme einer von Syriza geführten Linksregierung werde es sein, im neuen Parlament ein Gesetz zur Annullierung des Memorandums einzubringen, wie das mit der EU vereinbarte Rettungspaket in Griechenland genannt wird. Das vorherige Parlament hatte die Kreditverträge und Sparauflagen des zweiten Griechenland-Hilfspakets Mitte Februar nach kontroverser Debatte und begleitet von Massenprotesten mit den Stimmen der Konservativen und der sozialistischen Pasok gebilligt.

Tsipras will nach seinen Worten dieses Memorandum durch „ein Programm der Würde und der Hoffnung für unser Land“ ersetzen. Wie dieses Alternativprogramm, das er mit der EU aushandeln möchte, im Detail aussehen soll, skizzierte Tsipras nicht. Sollte die EU auf die Forderung nach Neuverhandlungen nicht eingehen, will Tsipras den Schuldendienst einseitig einstellen.

Der Syriza-Chef nannte eine Reihe von Sofortmaßnahmen, die er gleich nach der Wahl umsetzen will. Die Privatisierungen von Staatsunternehmen und öffentlichen Liegenschaften sollen sofort abgebrochen werden. Die griechischen Banken will Tsipras im Zuge der notwendigen Rekapitalisierung verstaatlichen. Bereits privatisierte Unternehmen, wie der Fernmeldekonzern OTE, der zu 40 Prozent der Deutschen Telekom gehört, will der Radikallinke wieder „schrittweise“ unter die Kontrolle des Staates bringen. Tsipras lässt in seinem Programm allerdings offen, ob er die bisherigen Eigentümer solcher Unternehmen enteignen oder entschädigen will.

Mit der benachbarten Türkei will Tsipras über ein Abkommen zur Beendigung des Rüstungswettlaufs der beiden zerstrittenen Nato-Partner verhandeln. Er kündigte an, die im Frühjahr umgesetzte Senkung des Mindestlohns um 22 Prozent rückgängig zu machen. Die im vergangenen Jahr eingeführte Immobilien-Sondersteuer will der Syriza-Chef streichen.

Die konservative ND hatte bereits am Donnerstag ein 18-Punkte-Programm zur Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik vorgelegt. ND-Chef Antonis Samaras will zwar grundsätzlich am Sparkurs festhalten, seine Folgen aber abmildern. Er verspricht Steuersenkungen, höhere Renten, Anreize zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und Maßnahmen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Samaras warf den Radikallinken vor, eine einseitige Aufkündigung der Kreditvereinbarungen, wie sie Syriza ankündigt, werde zum Bruch mit Griechenlands europäischen Partnern führen, den Verlust des Euro nach sich ziehen, das Land nur noch tiefer ins Elend stürzen und in Europa isolieren.

Alle Beobachter sind sich einig: Bei der Wahl am 17. Juni geht es um die wichtigste Richtungsentscheidung, seit das Land 1974 nach dem Sturz der Obristendiktatur zur Demokratie zurückkehrte und den Weg in die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) einschlug. Dabei zeichnet sich vor dem Urnengang ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der ND und Syriza ab. In den meisten Erhebungen der vergangenen Wochen lag die ND knapp vorn. Der Abstand zwischen den beiden führenden Parteien lag dabei aber im Rahmen der Fehlertoleranz solcher Umfragen. Die am Freitag veröffentlichte Umfrage des Instituts Public Issue, das als eines der seriösesten Unternehmen im Bereich der Meinungsforschung gilt, sieht Syriza mit einem Vorsprung von sechs Prozentpunkten klar in Führung. Das würde für 132 bis 134 der 300 Sitze im nächsten Parlament reichen. Bildet Syriza eine Koalition mit der Splitterpartei Demokratische Linke, die in der Umfrage auf 19 bis 20 Mandate veranschlagt wird, ergäbe sich eine knappe absolute Mehrheit von 151 bis 154 Stimmen.

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