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Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras bei der Debatte um das zweite Sparpaket

© AFP/Lousia Goulimaki

Update

Griechenland vor zweiter Abstimmung im Parlament: Abgeordnete beraten weiter - Tsipras wirbt für Reformpaket

Das griechische Parlament debattiert seit dem Abend über ein zweites Reformpaket, das die Gläubiger für neue Kredite verlangen. Die Abstimmung steht noch aus. Im Zentrum Athens demonstrierten Tausende gegen neue Sparauflagen.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat am Donnerstagmorgen im Parlament in Athen in einer kämpferischen Rede für die Umsetzung eines weiteren Reformpakets geworben. Er werde sich weiter für die Interessen seines Landes einsetzen und sein Amt als Regierungschef nicht freiwillig aufgeben, sagte Tsipras vor der Abstimmung über die Reformvorhaben im Justiz- und Bankenwesen. Die Sparmaßnahmen waren von den internationalen Geldgebern als Vorleistung für ein weiteres Hilfsprogramm verlangt worden. Die Abgeordneten hatten am Mittwochabend gegen 21.00 Uhr (MESZ) mit den Beratungen über die Gesetzesvorhaben begonnen.

Seine Regierung sei zu einem "schwierigen Kompromiss" gezwungen worden und müsse nun ein Abkommen umsetzen, "an das wir nicht glauben", sagte Tsipras. Er werde aber dafür kämpfen, möglichst günstige Bedingungen für Griechenland auszuhandeln. "Wir werden keine Feiglinge sein. Wir werden die Kämpfe, die vor uns liegen, mit Entschlossenheit führen", sagte Tsipras. Gleichzeitig rief er die Abgeordneten dazu auf, "sich an die neuen Realitäten anzupassen".

Mehrere Tausend Demonstranten haben am Mittwochabend im Zentrum Athens gegen die neuen Sparauflagen protestiert. Die Polizei sprach von 6000 Teilnehmern. Zu den Aktionen aufgerufen hatten die kommunistische Gewerkschaft PAME und die Gewerkschaft der Staatsbediensteten (ADEDY), wie das Staatsradio (ERT) berichtete. Die Demonstrationen fanden unter dem Motto „Gegen die barbarischen Sparmaßnahmen“ statt.

Die Polizei riegelte das Parlamentsgebäude ab, nachdem es in der vergangenen Woche bei einer Demonstration schwere Auseinandersetzungen gegeben hatte. Auch am Mittwochabend wurden einige Molotow-Cocktails in Richtung der Polizei geworfen.

Vergangene Woche hatte die Regierungskoalition ihre Parlamentsmehrheit eingebüßt, als sie Änderungen im Steuer- und Rentensystem durch das Parlament boxte. Da damals nur 123 von 162 Abgeordneten des eigenen Lagers Tsipras folgten, warnte Syrizas Fraktionssprecher Nikos Filis vor der neuerlichen Abstimmung im Rundfunk: „Wenn wir am Mittwoch nicht mindestens 120 Stimmen bekommen, werden wir so nicht weiter regieren können.“

Proteste vor dem Parlament in Athen zu Beginn der Debatte über weitere Sparauflagen
Proteste vor dem Parlament in Athen zu Beginn der Debatte über weitere Sparauflagen

© dpa/EPA/Orestis Panagiotou

Finanzminister ist zuversichtlich

Das zweite Reformpaket sieht im Justizbereich vor, dass Kreditnehmer künftig ihre Wohnungen verlieren können, wenn sie mit Zins- und Tilgungsraten an die Banken in Verzug geraten. Das Bankengesetz wiederum soll zwar Spareinlagen bis 100.000 Euro sichern; dafür sollen sich Sparer mit Guthaben über 100.000 Euro ebenso wie die Aktionäre an der Rekapitalisierung maroder Banken beteiligen. Umstrittene Steuervergünstigungen für Bauern waren kurzfristig von der Abstimmungsliste genommen worden. Deren Verabschiedung am Mittwoch wäre aber auch keine Bedingung für neue Milliardenhilfen gewesen, hieß es dazu übereinstimmend aus Athen und Brüssel. Finanzminister Euklid Tsakalotos äußerte sich im Parlament optimistisch, dass die verbliebenen Auflagen gebilligt und so Gespräche mit den Gläubigern über ein neues Milliarden-Hilfsprogramm ermöglicht würden. Eine Einigung sei spätestens am 20. August nötig. Bis dahin muss Griechenland knapp 3,2 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen.

Griechenland ist mit mehr als 300 Milliarden Euro verschuldet und trägt - gemessen an der Wirtschaftsleistung - die höchste Schuldenlast in der EU. Das neue Hilfspaket soll bis zu 86 Milliarden Euro umfassen und sich über drei Jahre erstrecken. Laut EU-Währungskommissar Pierre Moscovici streben die Geldgeber eine Vereinbarung in der zweiten August-Hälfte an.

Der linke Syriza-Flügel läuft Sturm gegen die Auflagen der Gläubiger und kokettiert mit einem griechischen Euro-Austritt. Auch Rufe nach einem Sonderparteitag wurden lauter. Die linke Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou nannte das neue Sparprogramm einen „Putsch“, der gestoppt werden müsse. Tsipras hingegen mahnte zur Geduld und empfahl, Meinungsdifferenzen in den Parteigremien zu klären, sobald das Hilfsprogramm unter Dach und Fach sei.

In Athen halten Experten eine Spaltung Syrizas und vorgezogene Wahlen auf Initiative von Tsipras im Herbst für möglich. Die wichtigsten Oppositionsparteien warnten Tsipras vor Neuwahlen und deren Folgen. Politiker forderten stattdessen parteiübergreifend die Bildung einer Einheitsregierung, um das Land aus der Krise zu führen.

Derweil wird die EZB ihre Ela-Notkredite für Griechenlands Banken nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg abermals um 900 Millionen Euro aufstocken. Im Vergleich zur Gesamtsumme von 90 Milliarden Euro erscheint dieser Betrag aber eher gering. (mit AFP, dpa)

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