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Alle Augen auf Alexis Tsipras: Der griechische Ministerparlament am Mittwoch im EU-Parlament in Straßburg.

© Reuters

Griechenlands Premier im EU-Parlament: Alexis Tsipras: Hellas wurde zum "Versuchslabor für die Sparpolitik"

In seiner Rede im EU-Parlament geißelt der griechische Premier Alexis Tsipras noch einmal die Sparpolitik der internationalen Geldgeber. Wie er den drohenden Bankrott seines Landes abwenden will, lässt er offen.

EU-Parlamentschef Martin Schulz schaut zerknirscht, als der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras mit Beifall von den Abgeordneten der Linksfraktion im Halbrund von Straßburg empfangen wird. Einige Abgeordnete machen Handyfotos vom Chef des Linksbündnisses Syriza, der an diesem Mittwochmorgen zum ersten Mal seit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im Januar die Möglichkeit erhält, vor den europäischen Parlamentariern zu sprechen.

Tsipras ist bei seinem Auftritt nur der Beifall der Linken sicher. Aber in der Heimat steht er seit dem Referendum vom vergangenen Sonntag einmal mehr als unangefochtener Sieger da. Entsprechend selbstbewusst tritt der 40-Jährige vor den Europaabgeordneten auf. „Heute haben wir das starke Votum des griechischen Volkes im Rücken“, erklärt er.

Tsipras: Medien haben versucht, die Griechen vor der Abstimmung zu "terrorisieren"

In seiner Rede schlägt der Chef des Linksbündnisses Syriza polemische Töne an, gleichzeitig redet er im „Tempel der Demokratie“, wie er das Europaparlament nennt, von einem möglichen Kompromiss mit den Geldgebern. In erster Linie beschäftigt er sich noch einmal ausführlich mit den Sparprogrammen der letzten fünf Jahre und erklärt, dass die Geldgeber Griechenland zu einem „Versuchslabor für die Sparpolitik“ gemacht hätten. Man müsse zugeben, „dass das Experiment gescheitert ist“, sagt Tsipras. Sämtliche Hilfsgelder der internationalen Geldgeber, behauptet er, seien „nie beim griechischen Volk angekommen“.

Tsipras darf sich in seiner Analyse bestätigt fühlen, seit 61 Prozent der Griechen ihm per Volksentscheid am vergangenen Sonntag das Vertrauen ausgesprochen haben. Er lobt die „mutige Entscheidung“, die gegen einen Großteil der Medien zustande gekommen sei, welche wiederum versucht hätten, die Griechen vor der Volksabstimmung zu „terrorisieren“.

Die Wortwahl dürfte den einen oder anderen Europaabgeordneten genauso aufhorchen lassen. Ebenso wie Tsipras' Forderung, dass es am Ende der Verhandlungen einen Kompromiss geben müsse, der auch gut für das „geopolitische Interesse“ Europas sei. Der Hinweis lässt sich auch als versteckte Drohung des griechischen Ministerpräsidenten verstehen, der in den vergangenen Monaten bereits mehrfach einen Flirt mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesucht hat.

Juncker schaut skeptisch

Jenseits von Tsipras’ Beschwörungen der historischen Kompromissfähigkeit der EU und seiner Warnung vor der „Gefahr einer Spaltung“ in der EU finden sich in der Rede des Syriza-Chefs vor den Parlamentariern wenig Hinweise darauf, wie es nun in den kommenden Tagen genau weitergehen soll. Für solche Hinweise dürften die Geldgeber aber dankbar sein, zumal auch EU-Ratschef Donald Tusk die Regierung in Athen aufgefordert hat, „spätestens am Donnerstag“ die Eckpunkte für Reformen vorzulegen. Auf der Basis dieser Eckpunkte soll dann in Brüssel entschieden werden, ob Verhandlungen über ein neues Hilfspaket aus dem Krisenfonds ESM aufgenommen werden können. Tsipras erklärt, dass ein Programm im Gegenzug zu weiteren Milliardenzahlungen „nicht nur richtig“ sein müsse, sondern auch umsetzbar. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker schaut skeptisch, als Tsipras dies sagt.

"Arbeitslosigkeit abbauen und das Unternehmertum stärken"

Der Syriza-Chef belässt es dabei, seine Vorstellungen für ein künftiges Programm unter dem Rettungsschirm ESM nur zu skizzieren. „Wir müssen die Arbeitslosigkeit abbauen und das Unternehmertum stärken“, fordert er. Zudem müssten die Belastungen für die Bevölkerung gerechter verteilt werden. Ob Athen die Eckpunkte eines neuen Reformprogramms nun am Donnerstag, Freitag oder Samstag vorlegt, lässt Tsipras offen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir in den kommenden zwei oder drei Tagen in der Lage sein werden, den Verpflichtungen im besten Interesse Griechenlands und auch der Eurozone nachzukommen“, sagt er. Der Antrag für die Hilfen aus dem ESM sei bereits am Mittwoch gestellt worden, lässt er die Parlamentarier wissen.

Dass Griechenland nun „an den Rand des Bankrotts gekommen“ sei, sei nicht die Schuld der „bösen Ausländer“, erklärt Tsipras, sondern müsse seinen Vorgängern im Regierungsamt angelastet werden. Sie seien es gewesen, die die Korruption im Lande gefördert und einen Klientelstaat aufgebaut hätten, erklärt der Regierungschef.
Wie es mit Griechenland weitergeht, ist unklar. Aber eines steht nach dem Auftritt des Syriza-Chefs in Straßburg fest: In seiner Heimat dürfte ihm die Rede nicht geschadet haben – im Gegenteil.

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