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Politik: „Größter Diebstahl von Altpapier“

Nordirlands Polizei beschuldigt die IRA eines millionenschweren Bankraubes

Der nordirische Polizeichef, Hugh Orde, hat am Freitag die Untergrundorganisation Irisch-Republikanische Armee (IRA) beschuldigt, vor Weihnachten 26,5 Millionen Pfund Sterling von der Geschäftsbank in Belfast gestohlen zu haben. Die Bank, die eigene Banknoten im Wert von etwa 300 Millionen Pfund im Umlauf hat, werde diese Scheine zurückrufen und durch Neudrucke ersetzen. Die IRA, sagte Orde, habe somit „den größten Diebstahl von Altpapier“ begangen. Die umfangreiche Fahndung, die 45 Detektive und zahlreiche Experten beschäftigt, konzentriere sich ganz auf die IRA.

Sinn Fein, der politische Flügel der IRA, hat in den letzten Tagen mehrfach bestritten, dass die IRA für den Raub verantwortlich sei, in dessen Verlauf die Familien von zwei Bankangestellten als Geiseln festgehalten worden waren. Die Sinn-Fein-Partei sprach von einem gezielten Versuch, den Friedensprozess zu untergraben und die IRA zum Sündenbock zu machen. Martin McGuinness, Chefunterhändler der Partei, beharrte in einem Gespräch mit dem Sender RTE darauf, dass die Polizei keine Beweise für ihre Unterstellung vorgelegt habe und bislang noch keine Anklagen erhoben seien.

Der irische Premierminister Bertie Ahern bewertete die Verwicklung der IRA als vertrauensschädigend und erinnerte daran, dass er Anfang Dezember mit Sinn Fein über einen vollständigen Verzicht der IRA auf Terror und Kriminalität verhandelt habe. Ahern pries die Glaubwürdigkeit und den guten Willen des nordirischen Polizeichefs und hielt fest, seine Aussagen verdienten, ernst genommen zu werden. Polizeichef Orde hatte auch hervorgehoben, dass den Ermittlungsbeamten sämtliche Erkenntnisse der Nachrichtendienste zur Verfügung stünden. Bei früheren Untersuchungen hatte sich nachträglich herausgestellt, dass die Geheimdienste mit Informationen geizten, um ihre Spitzel zu schützen.

Die Enthüllungen der nordirischen Polizei könnten den Friedensprozess in der Unruheprovinz belasten. Vor einem Monat war eine ehrgeizige Vereinbarung in letzter Minute geplatzt. Nachträglich hatte sich herausgestellt, dass die IRA nicht bereit gewesen war, völlig auf ihre kriminellen Tätigkeiten zu verzichten. Wenn man dem nordirischen Polizeichef Glauben schenkt, müssen die Politiker in London, Dublin und Belfast jetzt annehmen, dass die IRA während der Verhandlungen den größten Bankraub der britisch-irischen Geschichte plante.

Martin Alioth[Dublin]

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