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Politik: Groß aufgetreten, klein beigegeben

Von der Einigung Österreichs mit Tschechien über Temelin ist auch die Regierungspartei FPÖ überrascht worden. Nach einer Woche zornigen Tobens muss sie die Vereinbarung mittragen - hält aber an ihrem Veto-Volksbegehren fest.

Von der Einigung Österreichs mit Tschechien über Temelin ist auch die Regierungspartei FPÖ überrascht worden. Nach einer Woche zornigen Tobens muss sie die Vereinbarung mittragen - hält aber an ihrem Veto-Volksbegehren fest. "Temelin gibt einen tollen Wahlkampf", hatte der führende FPÖ-Politiker Jörg Haider gejubelt. Doch dann einigten sich Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Tschechiens Premier Milos Zeman über Verbesserungen an dem umstrittenen Kernkraftwerk. Alle Forderungen Österreichs, sagte Schüssel, seien erfüllt. Die letzte Verhandlungsrunde in Brüssel war von Schüssel und seinem Umweltminister Wilhelm Molterer so geheim (und perfekt) vorbereitet worden, dass es in Wien Feind wie Freund die Sprache verschlug.

Aber selbst ein begnadeter Taktiker wie Schüssel nimmt seinem Koalitionspartner nicht ungestraft ein Wahlkampfthema weg, zumal eines, bei dem es sich prächtig Ängste schüren lässt. FPÖ-Chefin und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer schimpfte auf Schüssels "Alleingang". Das Vertrauen in den Kanzler sei zerstört. Haider wertete den Vertrag mit Tschechien zu einer "privaten Vereinbarung" Schüssels ohne Bindewirkung für irgendjemanden ab. Wieder einmal drohte er mit Koalitionsbruch, und die verbündete "Kronen-Zeitung" verkündete: "Temelin-Vertrag ist nichts wert."

Am Samstag hat die FPÖ still und leise die letzten Unterschriften unter ihre Kapitulation gesetzt. Zuerst war es Andreas Khol, dem ÖVP-Fraktionschef, gelungen, dem Partner nachzuweisen: Schüssel hatte in Brüssel nur einen gemeinsamen Entschließungsantrag von ÖVP und FPÖ exekutiert. Zähneknirschend erkannte die FPÖ, dass Khol jenen Antrag im November schon in heimlicher Kenntnis des Verhandlungsstandes formuliert hatte. Die ÖVP hatte also nur Erreichbares hineingeschrieben und die von der FPÖ verlangte "Nullvariante", die Stilllegung Temelins, in einen harmlosen Nebensatz verbannt. Als zwingende Folge mussten die Freiheitlichen sogar noch den Satz unterschreiben, der Pakt mit Tschechien sei "Erfolg der konsequenten Haltung der gesamten Bundesregierung" - also auch der FPÖ.

Dennoch verlangte Haider über die Erklärung im Parlament hinaus noch einen Beschluss der Bundesregierung. Der erfolgte noch am Samstag lautlos im Umlaufverfahren. Und es steht dasselbe drin, das die FPÖ im Parlament unterschrieben hatte. Demnach wird die Außenministerin beauftragt, ihren EU-Kollegen mitzuteilen, dass Österreich das Energiekapitel in den Beitrittsverhandlungen mit Tschechien für nicht abgeschlossen hält und "darauf zurückkommen" wird, falls Prag sich nicht an die Vereinbarungen hält. Die EU-Minister werden den Hinweis kommentarlos zur Kenntnis nehmen, denn er gibt bloß die Rechtslage wieder. Die FPÖ aber kann mit dem Argument hausieren gehen, sie halte ihre Drohungen gegen Prag aufrecht. Und sie besteht auf ihrem bereits umfänglich plakatierten Volksbegehren, das sich im Januar gegen Temelin und gegebenenfalls einen EU-Beitritt Tschechiens richtet. Wie nun aber die Fragestellung aussehen soll, weiß niemand.

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