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Wie geht's hier raus? Theresa May will elegant durch die Vordertür.

© AFP

Großbritannien beantragt den Brexit: Gewagter Balanceakt von Theresa May

EU, britische Union, die eigene Partei – die Premierministerin ist gefordert, um den Brexit nicht zum Desaster werden zu lassen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Der 29. März 2017 wird ein historisches Datum in der Geschichte Großbritanniens. Und auch in der Geschichte Europas. Die britische Premierministerin Theresa May wird den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union beantragen. Was die Folgen sein werden, ist heute nicht absehbar. Die Verhandlungen in den kommenden Jahren können dazu führen, dass sich gegenüber dem Status quo gar nicht so viel ändern wird. Weil auf beiden Seiten letztlich die Einsicht Oberhand gewinnt, dass man eigentlich ganz gut zurechtgekommen ist seit dem britischen EU-Beitritt vor gut 40 Jahren. Es könnte sogar soweit kommen, dass ein Stimmungswechsel im britischen Volk in einigen Jahren dazu führt, einfach dabei zu bleiben.

Sie ist keine Hardlinerin, muss es aber den EU-Hassern recht machen

Aber auch das Gegenteil ist möglich. Der Verhandlungsprozess könnte zu einer tiefen Entfremdung zwischen Insel und Kontinent führen, wenn nicht sogar zu einer Existenzkrise der EU, mit nachteiligen Folgen für alle in Europa. Es könnte also genau das eintreten, was die derzeit regierenden EU-Gegner in Washington und Moskau wollen, denen das vereinte Europa ein zu mächtiger und erfolgreicher weltpolitischer Faktor geworden ist.

Ob nun das eine oder das andere Szenario oder – am wahrscheinlichsten – ein für beide Seiten schmerzhafter, aber erträglicher Brexit: Im Mittelpunkt wird die Frau stehen, die in der Downing Street 10 regiert. Die parteipolitische Herausforderung hat sie einigermaßen gemeistert: Ihre einst gespaltenen Konservativen formte sie zur Partei der Austrittswilligen um, zur Partei der 52 Prozent (das war die Referendumsmehrheit). Da weder Labour noch Liberaldemokraten in England eine starke Opposition darstellen, im Gegensatz zur Nationalpartei von Nicola Sturgeon in Schottland, haben derzeit relativ geschlossen auftretenden Tories wohl einige Jahre unangefochtener Herrschaft vor sich. Die basiert freilich auch darauf, den Konflikt mit der EU zu pflegen. May ist keine ausgesprochene Brexit-Hardlinerin, sie dürfte in den Gesprächen mit der EU durchaus gemäßigt agieren. Aber der aggressive Flügel der erklärten Europa-Hasser bei den Konservativen ist ein Faktor, den sie nicht ignorieren kann. Das kann gefährlich für sie werden.

Was wird nun aus der britischen Wirtschaft?

Zudem riskiert May mit ihrer unnachgiebigen Linie gegenüber den Wünschen Schottlands und Nordirlands, dass die britische Union tiefere Risse bekommt. Deren Auseinanderfallen muss sie vermeiden. Daher wird sie mit Blick auf Edinburgh und Belfast Rücksichten nehmen müssen, die wiederum der eigenen Partei (die weitgehend auch eine England-Partei geworden ist) nicht immer gefallen werden. Und dann ist da noch das Risiko, der britischen Wirtschaft einen massiven Dämpfer, wenn nicht mehr zu verpassen, wenn die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zur EU und die neuen globalen Handelsbeziehungen nicht den erhofften Erfolg bringen.

May muss hart auftreten, um daheim nicht unterzugehen, aber auch geschmeidig genug, um die EU nicht gegen sich aufzubringen. Man darf gespannt sein, ob es der britischen Premierministerin gelingt, den gewaltigen Balanceakt, den sie vor sich hat, zu meistern.

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