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Großbritannien: Brown setzt auf soziale Wohltaten

Der britische Premier versucht zu verschleiern, dass die Insel an Sparmaßnahmen nicht vorbeikommt. Laut einer Umfrage könnte er seinem Volk jedoch reinen Wein einschenken.

Der britische Regierungschef Gordon Brown hat – vermutlich zum letzten Mal – eine Großoffensive zur Reform öffentlicher Dienstleistungen angekündigt. Doch Oppositionschef David Cameron warf ihm in einer scharfen Attacke „Täuschung“ vor. „Der Faden der Unehrlichkeit zieht sich durch seine ganze Amtszeit“, so Cameron am Montag über Browns vorgezogenes Wahlprogramm.

Brown will die Tories als Partei der Haushaltskürzungen und Labour als Partei von „Zukunftsinvestitionen“ hinstellen. Aber Browns Pläne, die Rezession durch Ausgaben zu überwinden, kollidieren mit rapide wachsenden Schuldenbergen. Notenbankchef Mervyn King nannte die Verschuldung Großbritanniens „wahrlich außergewöhnlich“ und forderte sofortige, „ungewöhnliche“ Maßnahmen. Ratingagenturen äußerten bereits Zweifel an der zukünftigen Kreditwürdigkeit Großbritanniens.

Der britische Premier will erst nach der Wahl sparen

Brown will das Sparen bis nach der nächsten Wahl verschieben und möglichst wenig davon sprechen. In einem kontroversen Schritt wurde sogar der überfällige mittelfristige Finanzrahmenplan bis nach der Wahl vertagt. Eine detaillierte Ausgabenplanung sei unmöglich, solange die Schwere der Rezession nicht klar sei, begründete dies Schatzkanzler Alistair Darling. „Sie haben etwas zu verbergen“, konterte Tory-Finanzsprecher Philip Hammond.

Niemand glaubt, dass Browns jüngste Versprechungen noch vor der Wahl greifen. Dazu gehören neue Rechte für Nutzer des steuerfinanzierten staatlichen Gesundheitsdienstes, wie der Anspruch, bei Krebsverdacht innerhalb von zwei Wochen einen Arzt zu sehen. Das gleiche Versprechen wurde 2000 bereits in der Form einer „Leistungsvorgabe“ gegeben. Nun dürfen Patienten auf Staatskosten zum Privatarzt gehen, wenn der Gesundheitsdienst die Vorgabe nicht erfüllt. Nach einer ersten Ausgabenschwemme und den dann von einer Zentralbürokratie vorgegebenen Leistungsauflagen sind die „Patientenrechte“ Labours dritter Anlauf in zwölf Jahren, die chronischen Probleme des Gesundheitsdienstes anzupacken.

Brown kündigte außerdem erneut Wohnungsbauprogramme an, fügte aber diesmal das kontroverse Versprechen hinzu, es werde „lokale Wohnungen für lokale Einwohner“ geben. Damit will Labour Kernwähler von der rechtsextremistischen BNP zurückgewinnen, die behauptet, Immigranten würden bei der Vergabe von Sozialwohnungen bevorzugt. Mit seinem Versprechen von „britischen Jobs für britische Arbeiter“ hatte Brown vor einem Jahr Kontroversen ausgelöst und Streiks gegen ausländische Arbeiter die Parole geliefert.

Die Tories argumentieren, keine Partei werde um tiefe Einschnitte herumkommen, entscheidend sei der Mut, den Wählern reinen Wein einzuschenken. Laut einer am Wochenende von der Zeitung „Daily Telegraph“ veröffentlichten Umfrage glauben drei Viertel der Briten, dass an Einsparungen kein Weg vorbeiführt.

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