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Merkel trifft Brown in London

© dpa

Großbritannien: Der "Retter der Welt" ist selbst hilfebedürftig

Englands Regierungschef Brown sieht sich selbst gern als Retter aus der Weltkrise. Auf dem G-20-Gipfel in London will er richtig glänzen, doch im eigenen Land wachsen ihm die Probleme über den Kopf: Arbeitslosigkeit, Staatsschulden, und dramatisch sinkende Umfragewerte passen so gar nicht zum Erlöserimage.

Die Teilnehmer des G-20-Gipfels diese Woche in London sind zwar noch nicht eingetroffen, aber das wichtigste Gipfelfoto ist schon konzipiert: Es zeigt Gordon Brown, Vorsitzender, Organisator und treibende Kraft, zwischen US-Präsident Barack Obama und dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao. Brown war in den letzten Monaten fast ausschließlich mit den Vorbereitungen des Gipfels befasst. Letzte Woche begann der britische Premier eine Spritztour um die Welt. In Straßburg schmeichelte er dem Europaparlament, in Washington wetterte er gegen Protektionismus, in Brasilien und Argentinien warb er für die Ausdehnung des Welthandels. Das Gipfelfoto soll zeigen: Gordon Brown, Londons Regierungschef zwischen dem Amerikaner und dem Chinesen, ist die Sicherheitsnadel, die den Globus zusammenhält.

Kein Wunder, dass sich der Premier derzeit auf der Weltbühne am wohlsten fühlt. Zu Hause steigen die Arbeitslosenzahlen und die Staatsschulden, die Umfragewerte Browns und der Labour-Partei sinken. Ein Kabinettsmitglied nach dem anderen wird in Filzskandale gezogen. Hinterbänkler trachten dem Premier nach dem Amt. Niemand glaubt, dass die Labour-Partei unter Gordon Brown noch eine Chance hat, die nächste Wahl zu gewinnen. Der Gipfel sollte nicht nur die Welt vor dem wirtschaftlichen Ruin, sondern auch Brown und seine Regierung retten.

Vor einigen Monaten bezeichnete sich Brown im Unterhaus in einem Versprecher als „Retter der Welt“. Einen „großen globalen Pakt“ versprach er, eine neue Architektur für das Weltfinanzsystem, ein großes globales Konjunkturprogramm, „wie es die Welt noch nie gesehen hat“.

Nun platzen die Erwartungen Browns – nicht zuletzt, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Strich durch seine Weltkonjunkturspritze machte. „Eine Schnellreparatur dürfen wir nicht erwarten“, warnte Lord Mandelson, als Wirtschaftsminister nun einer der engsten Mitstreiter Browns, vor dem Gipfel. „Wir dürfen unsere Hoffnungen nicht auf das setzen, was andere tun können, sondern nur auf das, was wir selber tun können“, schrieb Verteidigungsminister John Hutton.

Der Gipfel wird die britischen Steuerzahler weit über zehn Millionen Pfund kosten, aber die Vorschläge für die neue Weltfinanzarchitektur werden nicht in viereinhalb Stunden Gipfeldiplomatie beschlossen. Auch das Weltkonjunkturprogramm muss warten. „Wir werden tun, was immer nötig ist, um die Jobs und das Wachstum zu schaffen, das wir brauchen“, lautet die neue Formel. Während Brown sie im Europaparlament vortrug, wies der britische Notenbankchef Mervyn King in einem Unterhaus-Komitee auf das britische Haushaltsdefizit hin, das zwölf Prozent erreichen dürfte. Er warnte mit sanfter Stimme: „Es ist klug, mit einer weiteren Schuldenexpansion vorsichtig zu sein.“

Mit mehr Getöse trug der konservative Europaparlamentarier Daniel Hannan das Argument in einer Attacke auf Brown vor, die es inzwischen bei Youtube zu einiger Berühmtheit gebracht hat: „Premierminister, Ihnen ist unser Geld ausgegangen.“ Vergangene Woche scheiterte zum ersten Mal seit Jahren eine Auktion britischer Staatsanleihen. US-Investor George Soros warnte, Großbritannien müsse vielleicht durch den Internationalen Währungsfonds vor der Pleite gerettet werden. Browns Politik, mit Steuersenkungen und Konjunkturprogrammen die Wirtschaft anzukurbeln, ist gescheitert – nicht wegen Angela Merkel, sondern weil kein Geld mehr in der britischen Kasse ist und auch die Briten mit überwältigender Mehrheit weitere Schulden ablehnen.

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