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Red Ed war mal. Jetzt will Labour-Chef Miliband seine Partei in die Mitte führen.

© dapd

Großbritannien: Die Partei der Vergessenen

Der linke Labour-Chef Ed Miliband sucht jetzt den Weg in die Mitte. Wie einst Tony Blair. In der Mitte will aber auch der konservative Premier David Cameron seine Tories platzieren.

Mit einer der erfolgreichsten Parteitagsreden seit Jahren hat Labour-Chef Ed Miliband zweieinhalb Jahre vor der Wahl die größte strategische Hoffnung der Konservativen vorerst erschüttert: dass Labours klarer Umfragevorsprung von rund zehn Prozentpunkten durch die „Unwählbarkeit“ des ungeschickten Miliband bedeutungslos würde. Eine zum Parteitag veröffentlichte Umfrage hatte noch ergeben, dass nur jeder fünfte Brite in dem 42-jährigen Miliband einen potenziellen Premier sieht. Doch auf dem Parteitag in Manchester ging Miliband in die Offensive: Mit einem „One Nation“-Appell legte er das Etikett des gewerkschaftshörigen „roten Ed“ ab, präsentierte Labour als Volkspartei für alle und versuchte, Camerons zerstrittene Partei aus dem von ihr einst beanspruchten Platz in der politischen Mitte zu verdrängen. Labour-Strategen vergleichen die Radikalität von Milibands „One Nation Labour“ mit dem Abrücken der „New Labour Party“ Tony Blairs von der sozialistischen „Old Labour Party“.

„Immer wenn Großbritannien vor seinen größten Herausforderungen stand, überstanden wir den Sturm, weil wir eine einige Nation waren. Zu oft haben Regierungen diese Lektion vergessen“, sagte Miliband. Die Konservativen dagegen hätten sich mit ihrer Senkung des Spitzensteuersatzes und ihren Reformen in Sozial- und Gesundheitssystem als Partei der Reichen und Privilegierten entlarvt.

Gewürzt wurde die Attacke, indem Miliband sich auf einen Gründungsvater der Tory-Partei berief, den einstigen konservativen Premier Benjamin Disraeli. Dieser hatte die „One Nation“-Parole auf dem Höhepunkt der Klassenkämpfe des späten 19. Jahrhunderts ausgegeben. Miliband appellierte gleichzeitig an Unternehmen und Gewerkschaften. Vorschläge für die Reform der beruflichen Bildung, die stark an deutschen Erfahrungen orientiert sind, beeindruckten Unternehmen und Gewerkschafter gleichermaßen.

New Labour war die Partei des gesellschaftlichen Fortkommens, der Strebsamen, und eher gelassen, wenn es um Superreiche und die wachsende Wohlstandskluft ging. Milibands „One Nation Labour“ will sich in einem Appell an alle der „Vergessenen und Zurückgebliebenen“ annehmen. Mit konkreten politischen Programmen, vor allem Details zu Sparzielen und Defizitbekämpfung, hielt sich Miliband allerdings zurück.

Cameron muss nun beim Tory-Parteitag eine Antwort auf diese Herausforderung finden. Er war 2010 mit einer klaren „One Nation“-Strategie angetreten. Aber Wirtschaftsrezession, Sparzwang und der wachsende Unmut der Tory- Rechten über die Koalitionsregierung haben die Tory-Parole „Wir alle sitzen zusammen im Boot“ unglaubwürdig gemacht. Bisher sah es so aus, als würde Labour nach links und die Tories nach rechts driften und die britische Politik wieder polarisieren. Nun zwingt Miliband den Tory-Chef, den Platz in der Mitte zu verteidigen.

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