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Großbritannien: Heldentum und knappe Kassen

Die Libyen-Krise bringt den britischen Premier Cameron ins Schleudern – mit der Folge, dass die Debatte über Großbritanniens Rolle in der Welt erneut angefacht wird.

Eigentlich will sich der britische Premier David Cameron angesichts der Unruhen in Libyen als Macher zeigen. So schickt London Flugzeuge, um libysche Flüchtlinge von der tunesischen Grenze nach Ägypten zu evakuieren. Und nach Medienberichten soll die britische Elitetruppe SAS in Libyen bereitstehen, um zehn Tonnen Senfgas-Chemikalien unschädlich zu machen. Aber ansonsten musste Cameron den Rückzug antreten, bevor seine Libyen-Offensive richtig begonnen hatte. Er reagierte auf die Libyen-Krise mit einem außenpolitischen Schleuderkurs – mit der Folge, dass die Debatte über Großbritanniens Rolle in der Welt erneut angefacht wurde.

Anfang der Woche forcierte Cameron seine Pläne einer Flugverbotszone über Libyen und schloss einen Einsatz militärischer Mittel „in keiner Weise“ aus. Doch dann musste er sein Draufgängertum mäßigen, als Nato-Partner, vor allem die USA und Frankreich, kühl auf seinen Vorstoß reagierten. Anders als der britische Außenminister William Hague beharrten die Partner darauf, dass Interventionsmaßnahmen ohne ein klares UN-Mandat ausgeschlossen seien.

Auch den Vorschlag, Aufständische notfalls mit Waffen für den Kampf gegen Gaddafi auszustatten, musste der Premierminister schnell wieder abschwächen. Er will nun „unsere Kontakte mit den Oppositionsgruppen verbessern und mehr über ihre Absichten herausfinden“. Die libysche Journalistin Nabila Ramdani beschuldigte westliche Medien in der BBC, die Situation zu dramatisieren. Gaddafis Sohn Saif al Islam sagte in einem Interview mit „Sky News“ mit Blick auf die westlichen Staaten: „Sie denken gierig ans Öl.“ An die Adresse Camerons fügte er verächtlich hinzu: „Jeder will gerne ein Held sein.“

Schon in der vergangenen Woche war Cameron ein Opfer schlechten Timings und unklarer politischer Prioritäten geworden. Während die Revolte der Demokratie die arabische Welt in Aufruhr versetzte, führte ihn die Reise bis ins absolutistische Königreich Oman. In Kuwait leitete er mit einer flugs umformulierten Grundsatzrede seinen Wandel vom harten außenpolitischen Realisten zum Interventionisten nach Art des früheren britischen Premiers Tony Blair ein und sprach von einem „kostbaren Moment der Chance“, die man beim Schopfe packen müsse.

Aber dann wurde das Timing noch schlechter. Während Cameron außenpolitischen Interventionismus propagierte, wurde die Entlassung weiterer 11 000 Soldaten in den nächsten vier Jahren bekannt. Wegen Entlassungen hat die Luftwaffe der Royal Air Force nach Angaben der Überprüfungsbehörde National Audit Office nur acht ausgebildete Piloten für den Eurofighter „Typhoon“ zur Verfügung. Und der Flugzeugträger, den Großbritannien für die Überwachung einer Flugverbotszone beisteuern könnte, wird verschrottet.

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