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Großbritannien: Massenprotest gegen Sparkurs in London

Hunderttausende haben am Samstag in London gegen den Sparkurs der britischen Koalitionsregierung protestiert – auf der größten Demonstration in der britischen Hauptstadt seit der Großveranstaltung gegen den Irakkrieg im Februar 2003.

Während Anarchisten in der Oxford Street Scheiben einschlugen und Polizisten mit Farbbeuteln und mit Ammonium gefüllten Glühbirnen bewarfen, eröffnete Labourchef Ed Miliband auf einer Großkundgebung im Hyde Park die Offensive gegen den Sparkurs, der das Land wie einst die Regierung Margaret Thatchers „zynisch“ spalte.

„Wir stehen hier nicht als eine Minderheit, sondern als Stimme der Mehrheit im Land“, rief Miliband. Die Koalition stelle Reiche gegen Arme, den öffentlichen Dienst gegen den Privatsektor und den Norden des Landes gegen den Süden. Es ist das erste Mal seit über 25 Jahren, dass sich die Labourpartei unter Milibands Führung voll hinter einen Gewerkschaftsprotest stellt und zum Sprecher der wachsenden Proteste gegen die Schließung von Kindergärten und Büchereien, Kürzungen bei Schulneubauten, Sparmaßnahmen im Gesundheitsdienst, Lohnkürzungen und Verschlechterungen der Altersversorgung wird.

Nach einer vom Gewerkschaftsdachverband TUC veröffentlichte Umfrage lehnen 52 Prozent der Briten die Sparpolitik ab. Der TUC hatten den Aktionstag unter das Motto gestellt: „Es gibt eine Alternative.“ Auch das spielt auf die Sozialkämpfe unter Thatcher in den 80er Jahren an. „Es gibt keine Alternative“ war Thatchers Motto für Wirtschaftsreformen, die von einigen noch heute als „sozialer Kahlschlag“ beschrieben werden.

Tory-Schatzkanzler George Osborne griff das Motto auf, als er in seiner Haushaltsrede vergangene Woche einen „Plan B“ ablehnte. Dagegen forderte TUC-Chef Brendan Barber einen Plan B, damit „lebensnotwendige Dienstleistungen gerettet werden, Arbeitslose wieder Jobs finden und wir das Defizit durch Wachstum und faire Steuern bewältigen können“. Labour wirft Osborne vor, durch seinen Sparkurs das Wachstum Großbritanniens zu schwächen. „Es gibt eine klare Alternative, nämlich das Defizit langsam und stetig abzubauen, die Banken mit einer Bonussteuer stärker zu besteuern und dafür Jobs für junge Leute zu schaffen“, so Labour-Finanzsprecher Ed Balls.

Die Regierung will, um zu sparen, den unter Labour auf sechs Millionen Beschäftigte angeschwollenen öffentlichen Sektor verschlanken. Gewerkschaftsmitglieder sind zu 85 Prozent im öffentlichen Dienst beschäftigt. Lehrer, Ärzte, Krankenschwestern und Feuerwehrleute waren auf der Straße. Auch die Sympathien der 5000 Polizisten, die gegen Randalierer im Einsatz waren, dürften auf Seite der friedlichen Demonstranten gewesen sein: Auch der Polizei wurden Stellenstreichungen, Lohnkürzungen, und Verschlechterungen der Altersversorgung verordnet.

Aber Wirtschaftsinstitute warnen, dass den Briten noch schärfere Sparmaßnahmen drohen. Denn Inflation und schwaches Wachstum machen es Osborne schwerer, seine Sparziele zu erreichen. Bis 2015 wird der Schuldendienst auf 70 Milliarden Pfund im Jahr steigen – sofern Großbritannien, anders als Irland oder Portugal, sein Kreditrating behält. Die Agenturen Fitch und Moody’s warnten am Freitag, Großbritannien könne sein AAA-Rating verlieren, wenn Osborne seine Defizitziele nicht einhält.

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