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Großbritannien: Mobbt Premier Brown Sekretärinnen?

Enthüllungen machen den Charakter des Premiers Gorden Brown zum Wahlkampfthema.

London - Handys und Coladosen, die durch die Luft fliegen, Kraftausdrücke und Beschimpfungen, Spuren des schwarzen Filzstifts, mit dem Premier Gordon Brown wutentbrannt auf das cremefarbene Sitzleder seines Dienst-Jaguars einhaut. Seit Jahren kursieren die Anekdoten über Gordon Browns „fehlerhaften Charakter“, wie ein Kabinettskollege einst sagte. Nun machen Enthüllungen in einem Buch des Journalisten Andrew Rawnsley den Charakter des Premiers zum Wahlkampfthema.

Der Vorabdruck im „Observer“ zeichnet das Bild eines jähzornigen, entscheidungsschwachen Chaoten, der Mitarbeiter mobbt und anrempelt und seine Wut nicht bremsen kann. Als eine Sekretärin ihm zu langsam tippte, habe er sie aus dem Stuhl gezerrt und sich selbst an die Tastatur gesetzt. Amtsleiter Gus O’Donnell sei so besorgt über den Vorfall gewesen, dass er den Premier beiseitegenommen habe. War es ein freundliches Gespräch unter Gentlemen oder eine „Abmahnung“? Browns Büro dementierte, Rawnsley beharrt, seine Quellen seien „24 Karat Gold“. Dann meldete sich die Gründerin der nationalen Mobbing-Helpline, Christine Pratt, bei der BBC. Drei bis vier Mitarbeiter aus der Downing Street hätten in den letzten Jahren bei ihrer Telefonberatung angerufen, erklärte sie. Das sei ein Hinweis, dass dort ein „Mobberklima“ herrsche.

Der Skandal kommt für Brown zu einem kritischen Zeitpunkt. Anfang Mai wird gewählt, gerade beginnen seine Umfragewerte wieder aus dem Keller zu steigen. Brown erntete damit die Früchte eines langen Fernsehinterviews, in dem sich der oft verklemmt wirkende Brown von der privaten Seite zeigen durfte. Er erzählte, wie er am windigen Strand in Schottland um die Hand seiner Frau Sarah anhielt, Tränen standen ihm in den Augen, als er über den Tod seiner erst zehn Tage alten Tochter Jennifer sprach. „Ich bin nicht perfekt“, sagte Brown. „Ich habe einen starken Willen, ich bin engagiert, und ich glaube, das Land will jemanden, der die Dinge bewegt.“ Wenn er wütend werde, dann über sich selbst, weil er so viel von sich fordere. David Cameron, Chef der Konservativen, fordert dennoch eine Untersuchung. Offenbar werde da etwas unter den Teppich gekehrt. Sachlich unterstrich er Browns größten Fehler: Dass er nicht delegieren kann und alles selber machen will. Matthias Thibaut

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