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Vizepremier Nick Clegg glaubt, dass sich die nötigen Investitionen in die Sicherheit britischer Kernkraftwerke nur schwer finanzieren lassen.

© Reuters

Großbritannien: Rolle rückwärts beim britischen Atomprogramm

Großbritanniens Vizepremier Nick Clegg hat als erster britischer Spitzenpolitiker nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima Zweifel am britischen Atomprogramm geäußert. Clegg stellt den Bau neuer Akw infrage.

Bei einem Gespräch mit Journalisten auf einem Flug nach Mexiko sagte Clegg, Energiefirmen würden es schwer haben, Gelder für die nun notwendigen zusätzlichen Sicherheitsinvestitionen zu beschaffen. Möglicherweise würden neue Kernkraftwerke in Großbritannien entgegen den bisherigen Planungen „nie gebaut“, orakelte der Chef der Liberaldemokraten. Auf keinen Fall werde es zusätzliche Zuschüsse von Steuerzahlern geben. Cleggs Liberaldemokraten standen auf der Seite der Kernkraftgegner, bevor sie im Koalitionsvertrag einen Atomkompromiss eingingen.

Clegg, der wegen seiner Koalition mit den britischen Konservativen unter gehörigem Druck steht, schien damit die Ergebnisse eines Sicherheitsberichts der britischen Atomkraft-Regulierungsbehörde vorwegzunehmen, der nach der Havarie von Fukushima in Auftrag gegeben worden war. Ein Zwischenbericht soll im Mai erscheinen, der Abschlussbericht im September veröffentlicht werden. Clegg brach auch mit dem bisherigen Konsens in Politik und Medien, sich von der Katastrophe in Fukushima nicht zu überhasteten Entscheidungen drängen zu lassen, bevor nicht alle Fakten geklärt sind. Energieminister Chris Huhne, ebenfalls ein Liberaldemokrat, hielt ausdrücklich an der Politik eines möglichst umfassenden „Energiemixes“ fest. Wie Clegg räumte er dabei aber auch ein, dass sich das Investitionsklima für Atomkraft verschlechtern könne.

Nach der bestehenden Planung will Großbritannien seinen gegenwärtigen Atomstromanteil von knapp 20 Prozent aufrechterhalten, auch wenn Kernkraftwerke aus Altersgründen vom Netz müssen. Zehn Meiler, die in den nächsten Jahren neu errichtet werden sollen, haben an acht Standorten Vorgenehmigungen erhalten. Das erste der zehn neuen Atomkraftwerke soll 2018 in Betrieb gehen. Großbritannien führte indes in der vergangenen Woche als erstes Land weltweit einen Garantiepreis für Kohlendioxid ein. Dieser Garantiepreis soll das Investitionsklima für alle CO2-freien Energien stabilisieren. Auch der Atomstrom gehört dazu.

Seit dem Nukleardesaster in Japan hat sich in Großbritannien ein Chor von Wissenschaftlern und Zeitungskommentatoren hinter die Kernkraft gestellt. Viele Kommentatoren, vor allem „grüne Atomlobbyisten“ wie David King, der frühere oberste Wissenschaftsberater des ehemaligen britischen Premierministers Tony Blair, sehen in dem Unfall in dem überalterten Kraftwerk Fukushima und der – bisherigen – Vermeidung einer zweiten Atomkatastrophe wie im ukrainischen Tschernobyl eine Bestätigung der Kernkraft.

Zu den britischen Atomfreunden gehört auch der Umweltaktivist und Kolumnist George Monbiot. Monbiots Verteidigung der Nukleartechnologie in der Zeitung „Guardian“ trug die Überschrift: „Warum Fukushima mich die Atomkraft lieben lehrte“.

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