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Großbritannien: Stimmungstief für britische Konservative

Das Umfragehoch für die Labour-Partei ist angesichts Browns schlechter Bilanz bemerkenswert: Das Land ist verschuldet wie nie in seiner Geschichte, die Arbeitslosigkeit höher als bei Labours Regierungsantritt 1997.

London - Immer, wenn in Großbritannien der konservative Parteichef David Cameron mit dem Rücken zur Wand steht, redet er ohne Redemanuskript zu den Parteifreunden. So war es vor fünf Jahren bei seiner Nominierung als Kandidat für das Spitzenamt bei den Konservativen. Und so war es wieder am Sonntag beim Frühjahrsparteitag der Tories in Brighton. Nur Wochen vor der Unterhauswahl hatte eine sensationelle Meinungsumfrage der „Sunday Times“ eine Stimmenmehrheit für Gordon Browns Labour-Partei vorausgesagt.

„Wir müssen diese Wahl gewinnen, weil unser Land im Schlamassel steckt. Es ist unsere patriotische Pflicht, das Blatt zu wenden und dem Land eine bessere Zukunft zu geben“, sagte Cameron in seiner ohne Notizen vorgetragenen Parteitagsrede. Hinter ihm war das Motto für die bevorstehende Wahl zu lesen: „Stimmt für den Wandel“. Großbritannien habe die Wahl, lautet das Motto der Tories: Fünf weitere Jahre, in denen Brown das Land weiter ruiniere, oder Cameron, der Großbritannien wieder gesund mache. „Wandel oder Bankrott, das ist die Alternative“, so Camerons Stellvertreter William Hague.

Aber die Briten sind nicht überzeugt. Lieber als ungewissen Wandel mit den Tories wollen viele, dass es mit Browns großzügigen Ausgabenprogrammen weitergeht wie bisher. Im Mai 2008 hatte Cameron einen Vorsprung von 26 Punkten vor der Labour-Partei. Doch dieser Vorsprung ist geschmolzen: Nach der aktuellen Umfrage der „Sunday Times“ legte Labour auf 35 Prozent zu, während die Konservativen nur noch 37 Prozent vorweisen können. Nach dem britischen Direktwahlsystem mit seiner für Labour günstigen Wahlkreiszusammensetzung würde die derzeitige Regierungspartei dann wieder stärkste Partei. Das Labour-Umfragehoch ist angesichts Browns schlechter Bilanz bemerkenswert: Das Land ist verschuldet wie nie in seiner Geschichte, die Arbeitslosigkeit höher als bei Labours Regierungsantritt 1997.

Doch die Tories haben die Wähler mit ihren eher düsteren Parolen und Sparappellen nicht überzeugt. Brown hat geschickt Zweifel an ihrer Wirtschaftskompetenz gesät. Eine Kampagne der Tories, bei der die Konservativen auf ein allzu offensichtlich retuschiertes Cameron-Foto zurückgriffen, wurde zum Desaster. Im Internet kursierten Satireversionen der Kampagne, und viele sahen sich bestärkt, die im Parteichef der Tories nur einen aalglatten Verkäufer sehen.

In Brighton haben die Tories ihre Botschaft nun gestrafft. Sechs zentrale Versprechen wurden vorgestellt: Defizitabbau, mehr Wachstum durch niedrigere Unternehmenssteuern, Unterstützung für Familien, Sicherheit für das Gesundheitssystem, Disziplin in Schulen und eine neue politische Ethik. Einen Rechtsruck soll es mit Cameron aber nicht geben.

Gewählt wird vermutlich am 6. Mai. Aber die neue Umfrage hat wieder Spekulationen um eine frühe Wahl ausgelöst. Brown könnte das Durcheinander bei den Tories ausnutzen und bereits am 25. März wählen lassen. Matthias Thibaut

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