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Großbritannien: Tory-Partei zerstritten: Wird David Cameron gestürzt?

Ein enger Vertrauter des englischen Premier David Cameron soll konservative Parteianhänger „verrückt“ genannt haben. Nun ist die Partei in Aufruhr. Sie streitet sich über Homo-Ehe und Europa, Cameron kann sie nicht einen.

Noch ist kein Gegenbewerber in Stellung, aber die Briten diskutieren bereits heftig, wie viel Premierminister David Cameron von der Partei Churchills und Margaret Thatchers übrig lassen wird. Ein riesiger Krach hat die Konservativen erfasst, bei dem es nicht nur um Europa geht. Die einen werfen Cameron vor, die Kontrolle über seine Partei verloren zu haben, Tory Graswurzel-Anhänger beklagen dagegen, Cameron gehe mit Arroganz über die Belange der Partei hinweg. Umgeben von Freunden aus seiner Zeit an Eliteschulen in Eton und Oxford habe er den Kontakt zur Wirklichkeitswelt verloren. Das hat Folgen: Nicht nur an den Wahlurnen verlieren seine Konservativen Unterstützung. Eine neue Austrittswelle hat die Mitgliederzahl auf um die 130000 schrumpfen lassen – von einst drei Millionen in den 1950er Jahren. Am Freitagabend kurz nach zehn löste Lord Feldmann, einer der beiden Vorsitzenden der Tory-Parteiorganisation und Tennispartner Camerons, einen mittleren Parteiskandal aus, indem er in einer Kneipe einen Kommentar abgab. Schuld an der Krise seien nicht die Unterhausabgeordneten, soll er anwesenden Journalisten gesagt haben, sondern Aktivisten in den Bezirksparteien, die sie unter Druck setzten. Er sagte: „Es sind Besessene, Verrückte“ („mad, swivel-eyed loons“).

Seit die Bemerkungen in „Times“ und „Daily Telegraph“ abgedruckt wurden, herrscht Aufruhr in der Tory-Partei. Feldman bestreitet alles. Doch der Chef der zunehmend erfolgreichen Tory-Alternativpartei UKIP, Nigel Farage, schrieb einen „offenen Brief“ an Tory-Mitglieder als Anzeige im „Daily Telegraph“: Nur eine Regierung „aus einem Haufen von College-Kids, die nie einen richtigen Job im Leben hatten“, würde ihre eigenen Anhänger so abschreiben, heißt es darin.

Als David Cameron 2005 Tory-Chef wurde, versprach er, die Partei zu modernisieren, in die Mitte zu rücken, fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Vor allem wollte er die jungen, kosmopolitisch-urbanen Wähler gewinnen. Viele seiner Probleme kommen nun daher, dass er dies nicht geschafft hat und die Kluft zwischen den traditionellen, meist im wohlhabenden Süden in ländlichen Grafschaften lebenden Konservativen und den urbanen Wählern eher größer wird. Der rechte Parteiflügel fühlt sich heimatlos und wird von UKIP erfolgreich umworben.

Camerons eigene Parteileute wollen das Gesetz zur Homo-Ehe blockieren

Ein Beispiel ist der Streit um die Homosexuellenehe, der am Montag im Unterhaus neu aufbrach. Cameron sieht sie als Teil seines Modernisierungsprogramms, trieb die Reform aber über die Köpfe seiner Parteibasis hinweg voran. Während 100 Parteiaktivisten sich in einem Schreiben für die Homosexuellenehe einsetzten, sind Gemeinderäte in Londoner Bezirken wegen der „Arroganz einer liberalen Elite“ zur UKIP übergewechselt, und Dutzende im Land dürften folgen. Die parteiinterne, konservative „Bow Group“ kritisierte Camerons „Mangel an Vision und klarer Linie in Parteiführung und Regierung“.

Statt liberale, urbane Tories und konservative Tories zusammenzubinden, verliert die Partei unter Cameron ihre Identität. Dies ist die Situation, in der Farage leichte Beute hat: In seiner Anzeige bot er frustrierten Tories seine UKIP als neue Heimat an. Die Tory-Spitze gab hinter der Hand bereits zu, dass UKIP die Europawahl 2014 als stärkste Partei im Land vermutlich gewinnen werde.

200 Tory-Parlamentarier wollten am Montag im Unterhaus für Änderungsanträge stimmen, um das Homosexuellengesetz zu blockieren. Über das eigentliche Gesetz wird am heutigen Dienstag abgestimmt. Cameron wird es vermutlich nur mit den Stimmen der Labour-Partei durchs Parlament bringen. Wie in der Europafrage geht der Dissens wieder bis ins Kabinett. Verteidigungsminister Philip Hammond, der sich bereits für den Europaaustritt ausgesprochen hat, sagte am Wochenende, es gebe keine öffentliche Nachfrage nach der Homosexuellenehe.

Die Wirtschaft in England beginnt sich zu erholen und die Reformen im Sozialsystem und bei der Einwanderung haben erste Erfolge, da kommt Camerons Führung ins Schleudern.

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