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© AFP

Großbritannien und Irak: „Wenn schon Militär, dann aber richtig“

Vertraute des früheren Premierministers Tony Blairs packen vor der britischen Untersuchungskommission zum Irakkrieg aus.

Ein halbrunder Tisch in einem Konferenzraum aus Beton, dahinter fünf Personen auf Kunstledersitzen. Alles wirkt ein wenig improvisiert. Aber Blogger und Journalisten messen jedem einzelnen Wort, das hier gesprochen wird, große Bedeutung bei. Denn in diesem Raum tagt die britische Untersuchungskommission zum Irakkrieg, in dem 179 britische Soldaten ihr Leben ließen.

Sir David Manning sagte vor der Kommission, militärisch sei die britische Beteiligung an der Irakinvasion 2003 „nicht wesentlich“ gewesen, „aber politisch war sie enorm wünschenswert, nachdem Präsident Bush beschloss, die Route über eine Koalition zu nehmen“. Sir David war von 2001 bis 2003 als außenpolitischer Berater fast pausenlos an der Seite von Premier Tony Blair. Mit ihm sagte zum ersten Mal ein Mitglied von Blairs „Sofa-Regierung“ aus. Schon neun Monate vor Kriegsbeginn ließ sich Blair militärische Optionen für eine Beteiligung ausarbeiten. Warum entschied er sich für Option 3, „das volle Paket“, mit einer Truppe von 20 000 Mann? „Wenn es die richtige Entscheidung war, sollte man es auch richtig machen, dachte der Premier“, so Manning.

Monatelang wurde die von dem pensionierten Beamten Sir John Chilcot geleitete Kommission als Versuch kritisiert, die Irakkontroverse unter den Teppich zu kehren. „Wir sind kein Gericht. Niemand wird hier verurteilt“, sagte Chilcot bei der Eröffnung. Aber er werde sich das Recht nehmen, im Abschlussbericht „Kritik“ zu formulieren, wo dies gerechtfertigt sei. Andere, die an eine Verschwörung der Blair-Regierung glauben, empören sich, dass die Kommission manche Dokumente auf Anordnung von Premier Brown nicht veröffentlicht. Etwa das geheime Rechtsgutachten von Lord Goldsmith, das acht Monate vor der Invasion einen Krieg mit dem Ziel eines Machtwechsels in Bagdad als „klaren Verstoß gegen die UN-Charta bezeichnete“.

Der damalige britische UN-Botschafter Sir Jeremy Greenstock bestätigte vor dem Ausschuss, er habe mit seinem Rücktritt gedroht für den Fall, dass die Invasion ohne eine neue Resolution durchgeführt würde. Der damalige Botschafter in Washington, Sir Christopher Meyer, sprach von einem „Blutspakt“, den Blair und Bush schon beim Gipfel in Texas im April 2002 geschlossen hätten. „Wir wollten Saddam Hussein entwaffnen. Regimechange war ein Bonus für uns. Für die Amerikaner war es fast andersherum“, sagte Manning. Die „UN-Route“ sei für die Briten von Anfang an aber „unverzichtbar“ gewesen.

Die britische Presse ist überrascht, wie offen die „Whitehall-Mandarine“ auspacken. „Blair kann einem fast leidtun“, schrieb eine Kolumnistin im „Independent“. Blair selbst sagte am Wochenende in einem CNN-Interview lediglich, es stimme nicht, dass Goldsmith „massiv unter Druck“ gesetzt worden sei, sein Gutachten über die Legalität des Krieges zu ändern. Weitere Auskünfte verweigerte er aber fürs Erste. „Ich bin diese Fragen schon oft durchgegangen und tue es gern noch einmal, aber erst, wenn ich nächstes Jahr vor der Kommission aussage.“

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