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Theresa May sprach am Donnerstag bereits bei einem Treffen von Donald Trumps Republikanern.

© Reuters

Großbritanniens Premier in USA: Trump empfängt mit May seinen ersten ausländischen Gast

Das Verhältnis der USA und Großbritanniens ist von jeher eng, aber die aktuelle Lage macht das Treffen speziell - auch für die Regierungschefin aus London.

Um den britischen Einfluss in den USA muss sich niemand Sorgen machen: In den ersten Tagen der Präsidentschaft von Donald Trump ist der Kultroman „1984“ des britischen Autors George Orwell in Amerika rund 68 Jahre nach der Erstauflage in den USA erneut zu einem Beststeller geworden. Bei Amazon liegt Orwells Werk mit zwei verschiedenen Ausgaben seit Trumps Amtsantritt vergangene Woche auf Platz Eins und Fünf der Beststellerliste. Offenbar fühlen sich viele Amerikaner bei Trump an Orwells Beschreibung eines totalitären Staates unter dem „Großen Bruder“ erinnert.

Das ist wohl nicht ganz die Wirkung, die sich Großbritannien derzeit in den USA erhofft. Trumps Signale eines isolationistischen Kurses in der Außenpolitik lassen einige Beobachter um die Zukunft der „speziellen Beziehungen“ zwischen den angelsächsischen Mächten fürchten. Als erster ausländischer Gast in Washington in der Ära Trump wird sich Premierministerin Theresa May an diesem Freitag in Washington über den Zustand der Beziehungen informieren können.

Immerhin behält Großbritannien bei Trump die traditionelle Rolle jenes Landes, das als erster einen Staats- oder Regierungschef zu einem neuen Präsidenten nach Washington schicken darf. Hoffnung schöpft London auch wegen der lobenden Worte Trumps für den Brexit.

So wie sich Großbritannien aus der EU zurückzieht, will Trump die USA aus dem Geflecht internationaler Vereinbarungen lösen und, etwa in Handelsfragen, auf bilaterale Abkommen setzen. In seinen ersten Tagen hat er bereits den Ausstieg der USA aus dem Pazifischen Freihandelspakt TPP verkündet. Über die EU hat er sich sehr abfällig geäußert und die Union als Vehikel deutscher Interessen bezeichnet – was so mancher britischer Euroskeptiker ähnlich sieht.

Trumps Mutter war eine geborene Schottin

Großbritannien sieht in diesen Grundeinstellungen Trumps die Gelegenheit, sich bei den USA unentbehrlich zu machen. Als Gastgeschenk für Donald Trump hat May einen „Quaich“ dabei, einen traditionellen Freundschaftsbecher aus Schottland; Trumps Mutter war eine geborene Schottin, die erst mit 17 Jahren in die USA kam.

May sprach am Donnerstag zunächst bei einem Treffen von Trumps Republikanern in Philadelphia und will an diesem Freitag mit Tump in Washington zusammenkommen. Beide Länder seien dabei, sich zu erneuern, hieß es im Text für Mays Rede in Philadelphia. „Wir haben die Chance, wieder gemeinsam zu führen.“

Die Premierministerin will den Präsidenten auf diese Weise an die enge Zusammenarbeit beider Länder im Zweiten Weltkrieg erinnern – so wie damals könnten Washington und London auch jetzt wieder gemeinsam die Geschicke der Welt bestimmen. May träumt offenbar von einer Neuauflage der engen amerikanisch-britischen Zusammenarbeit unter Ronald Reagan und Margaret Thatcher in den 1980er Jahren.

May wird Unterwürfigkeit gegenüber dem Präsidenten vorgeworfen

Bevor die beiden Länder unter Führung von Trump und May neuen goldenen Zeiten entgegengehen können, muss sich die britische Premierministerin zu Hause allerdings einige kritische Anmerkungen gefallen lassen. Britische Politiker werfen der Regierungschefin Unterwürfigkeit gegenüber Trump vor. Denn es gibt nicht nur die Erinnerung an Reagan und Thatcher: Das Bündnis zwischen George W. Bush und Tony Blair im Irak-Krieg von 2003 brachte dem damaligen britischen Premier den Vorwurf ein, sich wie ein „Pudel“ vom US-Präsidenten herumkommandieren zu lassen.

Deshalb geriet May vor dem Besuch unter Druck, in Washington nicht nur die amerikanisch-britische Freundschaft zu feiern, sondern auch Trumps frauenfeindliche Äußerungen, seine öffentlich ausgesprochene Vorliebe für Foltermethoden und seine Skepsis hinsichtlich des Klimawandels beim Namen zu nennen. Im Unterhaus versprach May, dass sie mit Trump „offen sprechen“ werde. Doch genau dies könnte die Idylle im Weißen Haus stören, denn der neue Präsident ist für seine Dünnhäutigkeit gegenüber Kritik bekannt.

Nicht nur die Politiker in London verfolgen Mays Mission genau. Orwells Schriftsteller-Kollegin und „Harry Potter“-Autorin JK Rowling ließ die Premierministerin am Donnerstag per Twitter wissen, dass sie beim Besuch in Washington unter Beobachtung steht: „Die Geschichte schaut zu, Theresa.“

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