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Postdienstleister

© dpa

Große Koalition: Geländegewinn

Schau'n wir mal, aber wird schon werden: Union und SPD kommen mit ihren Kompromissen voran - schrittweise.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Wenn die Schlacht geschlagen ist und es gibt auf einmal nur noch Sieger – ein bisschen verdächtig ist das schon. Dabei gibt es aber für die Zufriedenheit, die am Montag die CDU-Vorsitzende Angela Merkel genauso demonstrativ an den Tag legt wie der SPD-Vorsitzende Kurt Beck, einen ganz simplen Grund. Die Schlacht hat nicht stattgefunden. Was schon ahnen konnte, wer am Sonntag zur Tagesschau-Zeit sah, wie Beck in orangegelber Freizeit-Strickjacke ins Kanzleramt marschierte. Streng sachlich, versichert einer, der dabei war, habe die Koalitionsrunde beraten. So heftig die Scharmützel vorher waren, so friedlich das Ereignis selbst. „Der Pulverdampf des SPD-Parteitags hat sich verzogen“, kommentierte denn auch anderntags der CSU-Chef Erwin Huber.

Tatsächlich konnte jeder der drei Feldherrn seinen Truppen so viel Geländegewinn präsentieren, dass die keinen Anlass zu Meutereien sahen. Selbst der oberste Hüter des Reformradikalismus in der CDU, der Wirtschaftsratschef Kurt Lauck, spricht nach der Präsentation der Ergebnisse im CDU-Vorstand von einem „großen Erfolg“ seiner Kanzlerin. Der Erfolg, Lesart Union, besteht vor allem darin, dass die SPD die Kritik der Union am Tarifvertrag für Postdienstleister zwischen Post AG und Verdi akzeptiert hat, die Abmachung umfasse nicht die notwendigen 50 Prozent der Branche. Damit war der Weg zu einer pragmatischen Lösung frei – und zu einem Erfolg, den sich nun wiederum Beck an die Brust heften kann: Der Mindestlohn bei der Post wird kommen. „Es geht nur noch um Detail- und Ausgestaltungsfragen“, sagt der SPD-Chef, und er sieht ausnehmend zufrieden dabei aus.

Von ähnlicher Art sind die Vorfestlegungen auch in den anderen Streitfragen ausgefallen: Ein allgemeines „Schau’n wir mal, aber wird schon werden“ liegt darüber. Wo noch Schüsse fallen an diesem Montag, sind es solche in die Luft. Beck zum Beispiel lässt noch ein Kanönchen donnern wegen der Frage, wie die von beiden Seiten gewollte längere Auszahlung des Arbeitslosengeldes I gegenfinanziert wird: „Für uns kommt eine Kürzung bei den Jüngeren nicht infrage.“ Das hatte die CDU auf ihrem Dresdner Parteitag beschlossen. In der Sonntagsrunde ist die Idee aber gar nicht mehr auf den Tisch gekommen, zumal Huber klarmacht, dass ein solcher „neuer Generationenkonflikt“ schon am Widerstand der CSU scheitern würde. Umgekehrt schießt CDU-General Ronald Pofalla bloß mit Übungsmunition, wenn er mannhaft betont, der Arbeitslosenbeitrag müsse „mindestens auf 3,5 Prozent“ sinken – das sieht die SPD längst ebenso.

Trotzdem ist die Gegenfinanzierung für die ALG-I-Verlängerung unter den Fragen, die am Sonntag offenblieben, womöglich die komplizierteste: Die Union will die Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit nicht antasten, um den Arbeitslosenbeitrag noch unter die magischen 3,5 Prozent senken zu können – die SPD will genau diese Überschüsse für die ALG-I-Wohltaten verwenden. Pofalla warnt sogar, an diesem Punkt könne ein Kompromiss noch scheitern. Andere Teilnehmer der Runde glauben das nicht. Es gebe genug Möglichkeiten für gesichtswahrende Auswege.

Gesicht wahren – wahrscheinlich ist das überhaupt das Wichtigste gewesen für alle Beteiligten an diesem Sonntagabend. Zumal für Beck, der die Früchte seines Parteitags genießen will. „Für uns ist es nicht schwerer geworden, sondern eher einfacher“, sagt der SPD-Chef. Merkels Parteitag steht kurz bevor. Anfang Dezember will sie sich ihrer CDU als erfolgreiche Kanzlerin präsentieren. „Die Union“, versichert Merkel denn auch vor der CDU-Präsidiumssitzung, „wird die Koalition nicht aufs Spiel setzen.“

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