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Große Koalition: Kompromiss-Profis in Klausur

Jenseits von Kameras und Kampfparolen sind sich die Fraktionsvorstände der Koalition gerne einig. "Geschäftsmäßig“ nennen Teilnehmer das Klima der gemeinsamen Sitzungen.

Von Robert Birnbaum

Wenn Begrüßung und Schlusswort sich fast aufs Wort gleichen, dann ist dazwischen entweder nichts passiert oder viel. „Diese Klausurtagung fällt in eine spannende, aber auch schwierige Zeit“, hat Volker Kauder gesagt, als er am Dienstag in Bonn die gemeinsame Klausur der Fraktionsvorstände von CDU/CSU und SPD eröffnete. „Die Koalitionsfraktionen haben in schwieriger Zeit bewiesen, dass sie handlungsfähig sind“, sagt Kauder am Mittwoch. Dazwischen liegen 21 Stunden, eine Handvoll vernünftige Einigungen und ein paar sehr vernünftige Gespräche.

Nun war das Treffen von vornherein als Harmoniegipfel auf nostalgieträchtigem Boden angelegt, „back to the roots“, wie SPD-Fraktionschef Peter Struck formuliert: Auftakt im Wasserwerk, dem Behelfsplenarsaal der Bonner Republik – gleich nebenan die Fußballwiese, auf der CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer einst im Tor des „1. FC Bundestag“ stand und Struck sein Vorstopper war; Fortsetzung im Hotel Petersberg, wo der Frieden für Afghanistan verhandelt wurde. Dass ihre eigene Tagung ebenfalls unter kriegerischen Vorzeichen stattfinden würde, konnten Kauder, Ramsauer und Struck bei der Planung noch nicht wissen. Umso fester sind sie nun zur Demonstration entschlossen. „Die Atmosphäre war ungetrübt von Debatten um hessische Koalitionsfragen“, versichert Struck.

Das Bemerkenswerte ist, dass das stimmt. „Geschäftsmäßig“ nennen Teilnehmer das Klima der gemeinsamen Sitzungen. Die Querelen um Linksbündnisse und den neuen Kurs des SPD-Chefs Kurt Beck haben Kauder (indirekt) und Struck (etwas direkter) jeweils zu Anfang kurz angesprochen. Beide haben im gleichen Atemzug klargemacht, dass das Parteienzeugs sei, das hier keine Rolle spielen solle.

Das hat es auch nicht, jedenfalls nicht im offiziellen Teil. Am Rande und in kleinen Tischrunden beim Abendessen ist „Beck und die Folgen“ durchaus und parteiübergreifend Thema gewesen. Nach zwei gemeinsamen Jahren kennen sich viele hier einfach zu gut, als dass sie sich gegenseitig etwas vormachen wollten. Dass Roland Kochs Wahlkampf in Hessen eine fatale Dummheit war – keinerlei Widerspruch von Christdemokraten. Dass Becks Segen für ein rot-rot-grünes Ministerpräsidentenwahlbündnis in Hessen eine handwerkliche Trottelei war, mit der der Chef den größtmöglichen Schaden für die eigene Partei angerichtet hat – kein Einspruch von Sozialdemokraten. Sicher, sagt ein SPD-Mann, irgendwann wäre diese Kurskorrektur nötig gewesen, weil keine Kraft der Welt den SPD-Kandidaten im Saarland, Heiko Maaß, im nächsten Jahr von einem Regierungsbündnis mit Oskar Lafontaine werde abhalten können – verständnisvolles Kopfnicken von der Unionsseite. Aber so wie Beck das gemacht habe, kurz vor der Hamburgwahl auch noch – gemeinsames Kopfschütteln in der großkoalitionären Runde.

Solch Einverständnis abseits der Kameras mag seinen Teil dazu beigetragen haben, dass das Gipfeltreffen der parlamentarischen Pragmatiker von beiden Seiten als Erfolg verbucht wird. Mehr Geld für Conterganopfer, höhere Heizkostenzuschüsse für Bedürftige, mehr Entschädigung für bestimmte Gruppen von Gewaltopfern: Das soll Handlungsfähigkeit belegen. Sicher, zentrale Streitthemen waren ausgeklammert – aber in Sachen Mindestlohn sind die Fraktionen förmlich noch nicht, bei der Erbschaftsteuerreform aktuell auch nicht gefragt. Gleichwohl sagt Struck, die Erbschaftsteuer werde schon werden, ebenso wie die Bahnreform, die kurz Thema war. Einen ganz schweren Brocken hat die Fraktionsspitze aus dem Weg geräumt: Letzte Differenzen in der Pflegereform räumten die drei Fraktionsersten mit ihren Fachleuten am Dienstagabend bis halb elf im Kaminzimmer ab. Für die Online-Durchsuchung gaben Struck wie Kauder, das druckfrische Verfassungsurteil auf dem Tisch, am Mittwoch sofort grünes Licht.

Bei dem Thema hat es dann übrigens doch wieder ein paar parteipolitische Töne gegeben: Zu Recht, sagt Struck, habe die SPD dem Drängen von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) widerstanden und das Urteil abgewartet. Umgekehrt findet Kauder den Spruch aus Karlsruhe deswegen gut, „weil die SPD jetzt mitmachen kann“. Aber derlei Sticheleien gehören zur Kulisse fürs Parteivolk, hinter der die Kompromiss-Profis umso ungestörter ihre Arbeit tun können. Koalitionen, sagt Kauder, kämen dann in Schwierigkeiten, „wenn die führenden Personen nicht mehr miteinander können“. Davon kann in diesem Kreis aber derzeit keine Rede sein.

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