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Große Koalition: Regierung bestreitet Türkei-Differenzen

In der Diskussion um die EU-Ambitionen der Türkei versucht die große Koalition, die Wogen zu glätten. Einen Streit zwischen Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier gebe es nicht. Dagegen stichelt die CSU weiter.

Berlin - Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat dem Eindruck widersprochen, es gebe zwischen ihm und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) deutliche Differenzen in der Türkei-Politik. "In der Bundesregierung gibt es in der Substanz keinen wirklichen Streit", sagte Steinmeier der ARD. Auch die CDU bestritt Streitigkeiten in der Koalition. Allerdings setzten Politiker von Union und SPD zugleich die Debatte mit zum Teil harschen Äußerungen fort. Bereits am Wochenende waren Koalitionsvertreter mit scharfen Worten zitiert worden.

Steinmeier sagte vor seinem Abflug zu den Türkei-Beratungen der EU-Außenminister in Brüssel, er habe in den vergangenen Tagen mehrfach mit Merkel wegen des Themas telefoniert. Sie seien sich dabei in den zwei wesentlichen Punkten einig gewesen: Zum einen dürfe die Nicht-Beachtung des Ankara-Protokolls der Türkei nicht folgenlos bleiben, zum anderen dürfe es aber auch keine Überreaktion der EU und einen völligen Abbruch der Verhandlungen geben. Steinmeier vermutet den Streit nach eigenen Angaben vielmehr innerhalb von CDU und CSU.

Ankaras Kompromissvorschlag für viele zu wenig

Die Diskussion um die Türkei - die auch zwischen den EU-Staaten verläuft - entzündet sich an der Weigerung Ankaras, seine Häfen und Flughäfen wie zugesagt vollständig für die Republik Zypern zu öffnen, die seit 2004 EU-Mitglied ist. Die EU-Kommission schlägt daher ein Einfrieren der Beitrittsverhandlungen vor. Ankara hatte als Kompromiss erstmals die Öffnung eines Hafens und Flughafens für Zypern angeboten. Dies geht vielen EU-Staaten aber nicht weit genug.

Vize-Regierungssprecher Thomas Steg wies Berichte, es gebe einen "Riss" zwischen Kanzleramt und Auswärtigem Amt, als falsch zurück. "Es gibt noch nicht mal Haarrisse in der Außenpolitik." Steg bezog sich dabei sowohl auf die Haltung zum weiteren Umgang mit den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei als auch auf das Thema Irak.

"Mitnichten ein Streit"

Steinmeier hatte dem "Spiegel" gesagt, er habe Merkel "Argumente genannt, die dafür sprechen, auf unangemessene Reaktionen zu verzichten". Das war als Warnung an Merkel gewertet worden, die vor einigen Tagen noch für eine verschärfte Gangart in der Türkei-Frage plädiert hatte, dies aber später abmilderte. Nach den Worten von Steg fühlt sich die Kanzlerin nicht angesprochen, wenn es um "unangemessene Reaktionen" gehe. Auch ein Sprecher Steinmeiers hob hervor, dass in den Äußerungen "mitnichten sich ein Streit widerspiegelt".

Unterdessen heizte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer die Diskussion weiter an und warnte Steinmeier in der "Frankfurter Rundschau" davor, sich zum "billigen Jakob der Europapolitik" zu machen. Die EU würde ihre Selbstachtung und das Vertrauen der Bürger verspielen, wenn sie nicht auf der Umsetzung des Ankara-Protokolls bestehe. SPD-Chef Kurt Beck sprach sich in der "Bild"-Zeitung wiederum gegen ein Einfrieren der Verhandlungen mit der Türkei aus. Auch wenn der Prozess "manchmal schwierig" sei, müssten die Verhandlungen "im guten Geiste" fortgesetzt werden. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil warf "einigen in der CDU/CSU" vor, das Thema Türkei innenpolitisch missbrauchen zu wollen.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla betonte wiederum, es gebe in Regierung und Koalition keinen Streit in der Türkei-Frage. Er räumte ein, dass die Beitrittsverhandlungen mit Ankara mit "offenem Ende" geführt würden. Zugleich betonte er aber die Haltung der CDU, statt einer Vollmitgliedschaft eine privilegierte Partnerschaft anzustreben. (tso/AFP)

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