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Politik: Große Probleme – große Koalition?

In Sachsen-Anhalt könnte das Bündnis aus CDU und FDP abgelöst werden. Insgeheim haben sich alle darauf eingestimmt

Von Matthias Schlegel

Unter seiner Verantwortung haben 30 000 Kinder das Licht der Welt erblickt, erzählt Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer (CDU) gelegentlich, wenn er sich an seine vorpolitische Berufslaufbahn als Gynäkologe und Chefarzt im Wittenberger Diakoniekrankenhaus erinnert. Seit Jahren muss er nun zuschauen, wie viele – sicherlich auch „seiner“ – Landeskinder Sachsen- Anhalt den Rücken kehren. Abwanderung und drohende Verödung ganzer Regionen sind neben der hohen Arbeitslosigkeit die gravierendsten Probleme zwischen Salzwedel im Norden und Zeitz im Süden des Landes. Und sie sind damit auch die größten Herausforderungen für jede künftige Landesregierung.

SPD-Spitzenkandidat Jens Bullerjahn beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Phänomen, hat über das Zukunftsszenario des Landes bis zum Jahr 2020 ein umfangreiches Papier erarbeitet. Und er scheint zu der Überzeugung gelangt zu sein, dass am ehesten eine große Koalition damit fertig werden kann, auch wenn es in Bildungsfragen, bei der Kreisgebietsreform oder der Haltung zur Länderneugliederung deutliche Unterschiede zwischen beiden Parteien gibt. Ungeachtet dessen: Wenn es am Sonntag für eine Fortführung der CDU/FDP-Koalition nicht mehr reicht – wonach es in den Umfragen wegen des Schwächelns der Liberalen aussieht –, scheint die schwarz-rote Option unter Böhmers Regie die naheliegendste zu sein. Darauf haben sich offenbar nicht nur die Parteien eingestellt, sondern auch in den Wählerumfragen hat die große Koalition die meisten Befürworter.

Nach der Wahlarithmetik könnte zwar vielleicht auch ein rot-rotes Bündnis möglich werden. Doch seit sich eine SPD- Minderheitsregierung unter Tolerierung der PDS mehr schlecht als recht über die vorletzte Legislaturperiode quälte und 2002 niederschmetternd abgewählt wurde, hat niemand mehr so recht Lust auf ein ähnliches Experiment. Auch Bullerjahn selbst, der bei einer solchen Konstellation zwar Regierungschef werden könnte, scheint darin eher eine Bürde als eine Versuchung zu sehen. Nach den jüngsten Umfragen liegen SPD und PDS weit hinter der CDU etwa gleichauf.

Ebenso selbstbewusst wie realitätsfern hatte im Wahlkampf auch PDS-Spitzenkandidat Wulf Gallert angekündigt, er wolle Regierungschef werden. Vermutlich wird er sich erneut als Chef der stärksten Oppositionsfraktion im Landtag wiederfinden, diesmal mit der einstigen Regierungspartei FDP. Ob die Grünen mit der Erziehungswissenschaftlerin Ines Brock an der Spitze nach langer Abstinenz wieder in den Landtag einziehen, ist ebenso unsicher wie das Abschneiden der DVU. Beide Parteien lagen in den Umfragen knapp unter der Fünf-Prozent- Hürde.

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