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Politik: Großfamilien gesucht

Auch in anderen Ländern nimmt die Kinderlosigkeit von besonders gut ausgebildeten Frauen zu, der Rückgang wird dort aber von anderen Familien ausgeglichen

Berlin - Keine einzelne Maßnahme, sondern nur ein Mix verschiedener familienpolitischer Schritte kann dazu beitragen, jungen Erwachsenen die Entscheidung für Kinder zu erleichtern. Dafür plädiert ein Gutachten „Nachhaltige Familienpolitik“, das im Auftrag des Bundesfamilienministeriums erstellt und am Dienstag veröffentlicht wurde. Gutachter Hans Bertram, der zugleich Vorsitzender der Kommission zur Erarbeitung des 7. Familienberichts ist, unterstützte mit seinem Gutachten ausdrücklich die Reformpläne von Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) für ein einkommensabhängiges Elterngeld, das die Ministerin bis Anfang 2006 konkretisieren will.

Bertram und Schmidt sehen sich mit ihren Vorschlägen auch durch die jüngste Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, die am Montag vorgestellt wurde, bestätigt. Danach geht der Kinderwunsch bei jungen Deutschen deutlich zurück: Der Durchschnittswert von 2 gewünschten Kindern ist auf 1,7 gesunken, die Zahl junger Männer, die sich keine Kinder wünschen ist sprunghaft auf über 26 Prozent gestiegen.

Die Vergleichsstudien von Familienforscher Bertram weisen aus, dass die Kinderlosigkeit besonders gut ausgebildeter Frauen auch in anderen Länder zunimmt, in Deutschland aber nicht wie in den USA oder Finnland durch eine hohe Zahl von Mehrkindfamilien ausgeglichen wird. Familiengründung wirke in Deutschland wegen des Verlustes des Fraueneinkommens als „Achterbahneffekt“ auf das Familienbudget, der spätestens nach dem zweiten Kind nicht mehr verkraftet werden könne. Bertram plädierte deshalb für bessere Betreuungsmöglichkeiten und andere Familientransferleistungen.

Das wie eine Lohnersatzleistung gezahlte Elterngeld könne auch der mentalen Schwelle entgegenwirken, vor der gutausgebildete Frauen in Deutschland mehr als in anderen Ländern stehen: Familiengründung heißt hier für Frauen nach oft langer Ausbildung und hartem Kampf um einen Beruf, sich in die Abhängigkeit vom Einkommen des Mannes zu begeben.

In Anlehnung an eine britische Studie hat Bertrams Gutachten sich mit den Lebensentwürfen von Männer und Frauen beschäftigt: Nicht nur in Deutschland ist bei Frauen der „adaptive“ Entwurf, der Beruf und Familie vereinbaren will, stärker ausgeprägt als bei den stark „berufsorientierten“ Männern. Diese Unterschiede müsse man hinnehmen, sagte Bertram, nicht aber die Benachteiligungen, die daraus erwachsen. In Deutschland sei auffällig, dass viele Frauen wegen langer Ausbildungszeiten und fehlender Teilzeitangebote ihre Präferenz nicht verwirklichen können - zumal eine starke Orientierung auf beruflichen Erfolg im deutschen Werteschema ohnehin besonders ausgeprägt sei. In Frankreich sei auch die Entscheidung für ein Kind ein Kriterium für Selbstständigkeit und Lösung vom Elternhaus.

In der Bundesregierung ist das anvisierte Elterngeld noch umstritten. Allerdings hatte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hinter die Pläne von Schmidt gestellt. Entscheidender Punkt für das Elterngeld, bei dem nach den derzeitigen Überlegungen einem Elternteil für die Dauer von einem Jahr Erziehungsauszeit 67 - 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens gezahlt würden, ist die Finanzierung. Ekin Deligöz, familienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag nennt die enorme Spanne von drei Milliarden bis zu neun Milliarden Euro, die solche Leistungen den Staat kosten könnten. Bei den Grünen wird das Elterngeld – abhängig von der Finanzierbarkeit – grundsätzlich begrüßt. Eine auf ein Jahr begrenzte Elternzeit bei einer Kinderbetreuungsgarantie erst ab dem Alter von 3 Jahren allerdings, wäre, so Deligöz „ein Desaster“.

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