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Großprojekte in Gefahr: Tschechiens Premierminister kündigt drastische Sparmaßnahmen an

Tschechiens Premier Petr Necas warnt in seiner Regierungserklärung vor griechischen Verhältnissen und kündigt rigide Ausgaben-Senkungen an. Von den Sparmaßnahmen könnte auch das Autobahn-Teilstück zwischen Prag und Dresden betroffen sein.

Die neue tschechische Regierung hat den nötigen parlamentarischen Rückhalt für ihr drastisches Sparprogramm. Bei einer Vertrauensabstimmung, der sich die Koalition nach der Vorstellung ihres Programms am Mittwoch gestellt hat, bekam sie eine deutliche Mehrheit. Premierminister Petr Necas, der das konservative Bündnis führt, hat Reformen des Wirtschafts- und Sozialsystems angekündigt und zahlreiche Großprojekte infrage gestellt. Gefährdet ist auch das fehlende, nur 16 Kilometer lange Autobahn-Teilstück zwischen Prag und Dresden.

„Tschechien befindet sich an einer Weggabelung“, mahnte Necas in seiner Regierungserklärung. Wenn das Land seine Ausgaben nicht deutlich einschränke, lande man zwangsläufig unter den Ländern, „die ihre Probleme nicht mehr selbst lösen können“. Mit der Warnung vor griechischen Verhältnissen und der Ankündigung eines rigiden Sparkurses hatte die konservative Bürgerpartei (ODS) von Necas die Wahl gewonnen. Mit den beiden kleineren Koalitionspartnern, der Partei Top 09 und der Gruppierung „Öffentliche Angelegenheiten“, verfügt der Premierminister über 118 der insgesamt 200 Sitze im Abgeordnetenhaus und damit über die stabilste Mehrheit einer Regierung seit der politischen Wende.

Als „Regierung der haushaltspolitischen Verantwortung“ hatte Necas sein Bündnis schon kurz nach der Wahl bezeichnet. Dennoch zeigen sich Beobachter überrascht, wie weitreichend die Liste der Streichungen ist. Alle Staatsbediensteten sollen auf Teile ihres Einkommens verzichten, in öffentlichen Einrichtungen steht eine Kündigungswelle bevor und im Gesundheitswesen werden mehr Leistungen zuzahlungspflichtig. Zugleich werden die Steuerzahler mit einer pauschalen Zusatzabgabe belastet. Das Verkehrsministerium hat alle Autobahnbaustellen, die nicht von der EU bezuschusst werden, einstweilen gestoppt. Neben innerstaatlichen Verbindungsstrecken ist auch die fast fertige Autobahn Dresden–Prag betroffen, deren letztes Teilstück in diesem Jahr in Betrieb genommen werden sollte.

Arbeitnehmervertreter aus dem öffentlichen Dienst kündigten sogleich Massenproteste an, sollte es zu den geplanten Gehaltskürzungen kommen. Auch der sozialdemokratische Oppositionschef Bohuslav Sobotka sprach sich gegen die Sparmaßnahmen aus. Es sei gerade wegen des zu erwartenden Wirtschaftswachstums ein Mythos, dass Tschechien der Staatsbankrott drohe.

Mit besonderer Spannung war in Brüssel die außenpolitische Positionierung der neuen Regierung erwartet worden. Hier kündigte Necas einen proeuropäischen Kurs an. Man werde sich aktiv an der weiteren Gestaltung der Europäischen Union beteiligen. Necas versprach denn auch eine rasche Umsetzung des Lissabonvertrags; die darin verankerten EU-Reformen waren im vergangenen Jahr beinahe am Widerstand des Prager Präsidenten Vaclav Klaus gescheitert.

Auf Kritik stößt in Tschechien derweil die Zusammensetzung des Kabinetts. Unter den 15 Ministern ist keine einzige Frau.

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