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Politik: Großrazzia gegen militante Gegner des G-8-Gipfels

Bundesanwaltschaft ermittelt in mehreren Städten. Linke reagieren empört auf Durchsuchungen

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Berlin - Einen Monat vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm ist die Bundesanwaltschaft mit einer bundesweiten Razzia gegen militante Linke vorgegangen. Gegen mehr als 20 mutmaßliche Extremisten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung eingeleitet. Insgesamt 900 Beamte durchsuchten 40 Büros und Wohnräume in Berlin, Brandenburg, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

Die Beschuldigten werden verdächtigt, das Treffen der Staats- und Regierungschefs mit Brandanschlägen stören zu wollen und bereits mehrere Angriffen verübt zu haben. Sprecher der G-8-Gegner wiesen den Vorwurf terroristischer Aktivitäten zurück. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kündigte an, wegen des G-8-Gipfels Kontrollen an den Grenzen zu den Schengen-Nachbarstaaten vorzunehmen, um die Anreise potenzieller Gewalttäter zu verhindern.

Die Ermittlungen konzentrieren sich auf zwei militante Netzwerke von G-8-Gegnern aus der linksextremistischen Szene. „Wir ermitteln gegen 21 namentlich Bekannte und weitere unbekannte Personen“, sagte Sprecherin Petra Kneuer in Hamburg. Festnahmen seien nicht geplant. Die Hamburger Polizei habe allerdings im Zusammenhang mit der Durchsuchung des alternativen Kulturzentrums „Rote Flora“ mehrere Störer festgenommen. Das Gebäude im Hamburger Schanzenviertel gilt als wichtiger Anlaufpunkt für G-8-Gegner.

Der Bundesanwaltschaft gehe es vor allem um die Aufklärung bereits verübter Anschläge, sagte Kneuer. Insgesamt legen die Ermittler den Globalisierungsgegnern in den vergangenen zwei Jahren rund 40 Anschläge zur Last. Dazu zählen Angriffe auf Firmeneinrichtungen und ein Brandanschlag in Hamburg auf das Auto von Finanzstaatssekretär Thomas Mirow. Nach Tagesspiegel-Informationen aus Sicherheitskreisen ging es bei den Razzien auch darum, „rechtzeitig vor dem Gipfel Flagge zu zeigen“. Es werde erwartet, dass 2000 bis 3000 gewaltbereite Aktivisten aus Deutschland und dem europäischen Ausland anreisen werden, um das Weltwirtschaftstreffen zu stören.

Die meisten Taten der zurückliegenden Jahre gehen auf das Konto der „militanten gruppe“ (mg), wie Kneuer sagte. In zeitgleich stattfindenden Durchsuchungen habe man nach Beweisen gegen drei Beschuldigte der „mg“ gesucht. Sie sollen zumindest zwei Brandanschläge in Berlin verübt haben: auf das Sozialgericht in Moabit und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Insgesamt habe sich die Gruppe seit 2001 zu 25 Anschlägen bekannt. Laut einem Durchsuchungsbeschluss, der dem Tagesspiegel vorliegt, sollen einige Berliner Verdächtige seit Jahren in der autonomen Szene aktiv sein. Sie hätten demnach sogar schon während einer Tagung der Weltbank 1988 Brandanschläge verübt. „Dieser Vorwurf ist unglaubwürdig“, sagte Christoph Kliesing, Anwalt eines Beschuldigten. Er hält die Beweislage für „überaus dünn“.

Linke Gruppen reagierten empört. In Berlin-Kreuzberg beteiligten sich am Abend rund 3000 Menschen an einer Solidaritätsdemonstration, bei Protesten in Hamburg kam es zu Krawallen. Linkspartei-Vizechefin Katja Kipping warf der Bundesregierung vor, die Proteste gegen die G 8 zu kriminalisieren. Ähnlich äußerte sich Grünen-Chefin Claudia Roth. Benedikt Lux, Berliner Grünen-Abgeordneter, sagte: „Wahllose Durchsuchungen in harmlosen Buchläden zeigen, wie planlos das Bundeskriminalamt vorgeht.“ Aus Sicht der Globalisierungskritiker von Attac handelt es sich bei den Razzien um eine „groß angelegte PR-Aktion zur Kriminalisierung und Diskreditierung des gesamten Protestes“ gegen den Gipfel.

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