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Kurz vor dem Mittagessen wurde noch schnell das Wahlprogramm durchgestimmt - Gründungsparteitag der "Alternative für Deutschland".

© Reuters

Gründungsparteitag der "Alternative für Deutschland": Das Ziel ist, bis zur Bundestagswahl keine Angriffspunkte mehr zu bieten

Die neue Partei will in den Bundestagswahlkampf ziehen und winkt in rasendem Tempo ein Wahlprogramm durch. Die Feinheiten sollen offenbar erst nach der Wahl besprochen werden.

Draußen vor dem Saal wartet das Mittagsbuffet, die Zuhörer drinnen sind von einer langen, pannenreichen Satzungsabstimmung genervt, da bringt Bernd Lucke, der neue Chef der neuen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) noch schnell ein Kunststück fertig: Er lässt die Mitglieder im überfüllten Ballsaal des Hotels Intercontinental in Berlin rasch das Programm durchwinken. Davon sind sogar die Pressefrauen der AfD verdutzt, sie haben kein gedrucktes Exemplar, alles steckt im Notebook des Vorstandes, der sich diesen Kniff offenbar am Wochenende ausgedacht hat. „Es soll das Signal sein: Wir sind uns einig!“ rief Lucke unter lautem Beifall, und das Signal kam wie gewünscht. Die Sache sei eilig, denn im September sei Wahl – mehr musste er zur Begründung kaum sagen.

Der Begriff Programm ist allerdings ein wenig hochgegriffen für die knappe Sammlung grundsätzlicher Ziele der neuen Partei, die allenfalls einen Minimalkonsens darstellt. Im Mittelpunkt steht natürlich die Forderung nach Abschaffung des Euro, die der AfD in der deutschen Parteienlandschaft exklusiv vertritt, ein paar Sekten rechtsaußen ausgenommen. Ziel ist die geordnete Auflösung des Währungsgebietes auf dem Verhandlungswege; jedes Volk solle demokratisch selbst über die wesentlichen Schritte entscheiden können.

Die Anti-Euro-Haltung zog offenbar auch NPD-Mitglieder an

Die Partei verbindet diese Forderung mit einem grundsätzlichen Bekenntnis zu einem Europa souveräner Staaten mit einem gemeinsamen Binnenmarkt. Sie möchte die Renten sicherer machen und mehr für die Familie als zentralen Ort der Bildung tun, die nach ihrer Auffassung unsoziale Subventionierung der Energiepolitik abschaffen, das Steuerrecht vereinfachen und die Einwanderung in die Sozialsystem zugunsten jener Migranten stoppen, die gut ausgebildet und integrationswillig sind.

Lucke gab sich ein wenig beleidigt, dass in der Presse eine weitere wichtige Forderung kaum erwähnt werde, nämlich jene nach einem Recht auf Arbeit für Asylbewerber. „Es heißt oft, wir hätten Probleme mit dem rechten Rand“, sagte er knapp, „das ist nicht der Fall“. Draußen vor dem Hotel hielt die Polizei ein Dutzend NPD-Mitglieder auf Abstand, die anscheinend mit dem Euro auch irgendwie unzufrieden sind.

Die Mitglieder drinnen waren peinlich darauf bedacht, Distanz zu solchen Freunden zu halten. Ein graubärtiger Deutsch-Russe im Saal bekam Ärger, weil er, enthusiasmiert von der Rede Luckes, eine schwarz-rot-goldene Flagge mit Adler herumschwenkte und damit die Fotografen magnetisch anzog – das schien den meisten hier doch deutlich zuviel nationalistische Symbolik zu sein.

Den Vorwurf des Populismus sieht die Partei auch mal als Auszeichnung an

Ihrem Ruf als Professorenpartei wurde die AfD indessen voll gerecht. Rund 150 Mitglieder hatten sich auf die Liste zur Vorstandswahl gesetzt, und etwa jeder Dritte der 30 Personen, die als stellvertretende Sprecher – also Vorsitzende – kandidierten, trug stolz einen oder mehrere Doktortitel, wenn er nicht sogar tatsächlich Professor war. Ein einziger ausländisch klingender Name war dabei, und auch Frauen bildeten die Ausnahme, auf der Liste wie auch im Saal, der ganz überwiegend in Männerhand war.

Schon morgens um neun Uhr hatte der Publizist Konrad Adam die Gäste vorgewärmt, auf eine Politik gegen den Euro, aber für ein einiges Europa eingestimmt. Er polemisierte gegen eine „Sprachpolizei, die die Dinge nicht beim Namen nennt“ und setzte sich mit dem Vorwurf des Populismus auseinander, den er im Sinne der demokratischen Selbstverantwortung des Volkes durchaus als Auszeichnung betrachte. „Über Griechenland herrscht eine Troika“, sagte er, „die ihre Legitimation von werweißwem hat, aber nicht vom Wähler.“ Die Versammlungsleitung lag in den Händen des Publizisten und ehemaligen CDU-Staatssekretärs Alexander Gauland, während eine weitere Galionsfigur der AfD, Hans-Olaf Henkel, zwar in der ersten Reihe saß, aber nicht aktiv ins Geschehen eingriff.

Für Lucke, den 50jährigen Hamburger Wirtschaftsprofessor, ist das Leitmotiv der Partei „Euro, Europa, Rechtsstaatlichkeit“. Er setzte sich in seiner Rede ausführlich mit dem nach seiner Auffassung undemokratischen Vorgehen der Bundesregierung und dem wiederholten Bruch zentraler europäischer Verträge in Sachen Euro auseinander und sprach von der Begeisterung, die er darüber erfahren habe, „dass endlich eine neue Kraft sich anschickt, die Zwangsjacke der erstarrten und verbrauchten Altparteien zu sprengen“.

"Wir sind nicht bei der Piratenpartei"

Ebenso so stark sei aber der Zorn der Menschen über das, „was CDU, CSU, FDP, SPD und Grüne seit gut drei Jahren mit ihrer heillosen Euro-Rettungspolitik anrichten“, sagte Lucke weiter. Nach seinen Angaben habe man weiteren 400 Mitgliedern, die sich zu diesem Gründungsparteitag zu spät angemeldet hätten, wegen Platzmangels absagen müssen.

Zu Wort kamen diese Mitglieder allerdings am Sonntag kaum. Die Vorstandsregie war auf Effizienz getrimmt und verfolgte offensichtlich das Ziel, bis zur Bundestagswahl keine Angriffspunkte zu erreichen und erst dann weiter zu diskutieren, über das Programm, die Partei und die Feinheiten der Satzung. Die Mitglieder zogen mit: Einer, der sich als „Miterfinder von liquid democracy“ bezeichnete und eine ausführlichere Selbstdarstellungsmöglichkeit der Kandidaten verlangte, erntete Pfiffe. „Wir sind hier nicht bei der Piratenpartei“, hieß es. Gut, dass das schon mal geklärt ist.

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