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Grüne: Die Ampel auf Rot

Die Grünen-Spitze will ein Bündnis mit SPD und FDP herbeireden. Der Basis missfällt das und zweifelt an der Strategie der Partei-Chefs.

Von Matthias Meisner

Berlin - Renate Künast fuhr mit gemischten Gefühlen nach Hagen. Schon vor dem Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen hatte die Chefin der Bundestagsfraktion in einem gemeinsamen Brief mit Jürgen Trittin zugegeben, dass die innergrüne Debatte zum Wahljahr 2009 „in eine Schieflage geraten“ sei. Statt über Inhalte werde nur noch über politische Farbkonstellationen gesprochen, stellten die beiden Spitzenkandidaten fest. Da schwang auch Selbstkritik mit – denn es ist die Grünen-Spitze selbst, die der Partei eine Wahlaussage zugunsten einer Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen vorgeschlagen hat.

In Hagen aber zeigte sich am Freitagabend, dass der Ärger über das Vorgehen der Chefs in Berlin lange nicht verraucht ist. In Nordrhein-Westfalen, wo die Grünen in Opposition zu einer schwarz-gelben Regierung Politik machen, haben sich die schärfsten Kritiker an der Strategie der Berliner Parteiführung zusammengefunden. Und die ließen Künast, Gastrednerin in Hagen, die Abbitte nicht durchgehen. Zumal die Führung nach wie vor dafür wirbt, dass die Grünen auf ihrem Bundesparteitag Anfang Mai in Berlin eine Wahlaussage treffen – mit dem Argument, 80 Prozent der Grünen-Wähler wollten, dass es die Partei mit einer Regierungsbeteiligung versucht, und die Ampel sei dafür das wohl einzig funktionierende Modell. Eine Wahlaussage sei „kein politisches Bekenntnis“. Sie bilde nur „eine Brücke zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren“. Künast versichert: „Wenn unser Inhalt nicht zu einem gerüttelt Maß drin ist, dann gibt es auch keine Regierungsbeteiligung.“

Am Sinn dieser Strategie zweifeln offenbar viele an der Basis. In Nordrhein-Westfalen versammelten sich Vertreter der Landesspitze und vieler Kreisverbände hinter einem Antrag, der Vorfestlegungen zur Koalitionsfrage ablehnt. Insbesondere dürften die Grünen nicht der FDP eine Schlüsselrolle verschaffen, die Westerwelles und Brüderles starkreden, anstatt ihre Rolle als „ideologische Väter der heutigen Finanz- und Wirtschaftskrise“ klarzumachen. Auch der generelle Ausschluss einer rot-rot-grünen Zusammenarbeit wird abgelehnt. Die 230 Delegierten stimmten der Vorlage nach fast zweistündiger Diskussion mit überwältigender Mehrheit zu. Künast selbst hatte kaum überzeugen können. Als sie in ihrer Rede auf die grünen Inhalte zu sprechen kam, auf den Widerstand gegen Atomkraft und Gentechnik, erntete sie den ironischen Zwischenruf eines Delegierten, der meinte, dass eine solche Politik ja wohl ganz klar mit der FDP zu verwirklichen sei. Die NRW-Landeschefin Daniela Schneckenburger sagte: „Eine Ampel ist für uns kein Wahlziel, sondern allenfalls eine Notlösung.“ Die Vorsitzende der NRW-Landtagsfraktion, Sylvia Löhrmann, kritisierte, dass die Führung in Berlin mit ihrer Aussage die Partei „ins Mark getroffen“ habe. „Wir wollen, dass die anderen sich an uns abarbeiten. Nicht andersherum.“

Jetzt soll der Streit vertagt werden. In den kommenden Wochen wird es Diskussionen auf Regionalforen geben, auf denen sich die Basis mit dem Wahlprogramm beschäftigen soll. Künast hörte bei der Debatte in Hagen aufmerksam zu, griff aber selbst nicht mehr ein. Dem Tagesspiegel sagte sie: „Ich bin durchaus beeindruckt. Ein paar ruhige Tage wären für uns jetzt nicht schlecht.“

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