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Politik: Grüne: Scheidende Parteichefin Röstel kritisiert interne Strukturen - Doppelspitze "richtige Crux"

Die Grünen sollten nach Ansicht der scheidenden Vorsitzenden Gunda Röstel durch ihre Politik das Etikett der "Technologiefeindlichkeit" ablegen. Moralisierend über die Bürger bestimmen zu wollen, werde nicht mehr funktionieren, sagte Röstel am Dienstag vor Journalisten in Berlin.

Von Matthias Meisner

Die Grünen sollten nach Ansicht der scheidenden Vorsitzenden Gunda Röstel durch ihre Politik das Etikett der "Technologiefeindlichkeit" ablegen. Moralisierend über die Bürger bestimmen zu wollen, werde nicht mehr funktionieren, sagte Röstel am Dienstag vor Journalisten in Berlin. Die 38-Jährige will auf dem Grünen-Parteitag Ende dieser Woche in Münster für den Parteirat kandidieren. Diesem von 30 auf 16 Mitglieder verkleinerten Gremium sollen künftig die Spitzenpolitiker aus Bund und Ländern angehören.

Röstel begründete den Verzicht auf ihre erneute Kandidatur als Parteichefin damit, dass die Grünen in ihrer momentanen "Situation der Stagnation" einen Aufbruch bräuchten, der "natürlich am schnellsten über neue Köpfe" zu erreichen sei. Sie beklagte, dass die parteiinternen Strukturen der Grünen sie gegenüber den Spitzenpolitikern anderer Parteien benachteiligt hätten. Wegen der Trennung von Amt und Mandat sei ihr der Bundestag als Auftrittspodium versagt geblieben, sagte Röstel. Auch die Doppelspitze der Partei mit den damit verbundenen Abstimmungsproblemen sei eine "richtige Crux", erklärte sie.

In der Diskussion um den Atomausstieg solle die Partei das Gewicht auf die Wende zu neuen Energien legen, sagte Röstel. Eine ähnliche Strategie empfahl sie zur Verkehrspolitik. Röstel hält ein Ende der rot-grünen Koalition in Berlin für möglich, falls der Grünen- Parteitag den Atomkompromiss ablehne. Bei der SPD sehe sie keine Bereitschaft zum Nachverhandeln.

In den ersten eineinhalb Jahren der rot-grünen Regierung habe die Diskussion um den Atomausstieg "vernebelt", was die Grünen auf anderen Feldern erreicht hätten, sagte Röstel. Als Beispiele nannte sie Steuer-, Renten- und Sozialpolitik, wo die Grünen "das schwere Schiff SPD ein bisschen in Fahrt gebracht haben".

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisierte die Umweltpolitik der Grünen. Die beim Atomausstieg vereinbarten Restlaufzeiten für die Atomkraftwerke seien viel zu lang, sagte die BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt der "Zeit". Bundeskanzler Gerhard Schröder warf sie vor, die Grünen bei wichtigen ökologischen Themen "ausgebremst" zu haben.

Rund 46 Prozent der Deutschen sehen den Atomausstieg als einen Erfolg der Grünen. 16 Prozent betrachten das Verhandlungsergebnis als Teilerfolg. Das ergab eine Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der Zeitung "Die Woche". Die Anhänger der Grünen beurteilten die Übereinkunft kritischer. Nur 30 Prozent sprachen von einem Erfolg, 28 Prozent von einem Teilerfolg.

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