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Zu Besuch. Das Erkundungsbergwerk Gorleben, könnte doch Endlager werden. Foto: dpa

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Politik: Grüne stolpern ins Endlager

Der Atommüll bringt den niedersächsischen Parteiverband in Bedrängnis. Frontmann Jürgen Trittin schließt Gorleben nicht aus.

Hannover - Das Misstrauen sitzt tief. „Das verkünden die bestimmt mitten in den niedersächsischen Sommerferien“, prophezeit eine Grüne aus dem Wendland düster. „Das“ – das ist der Kompromiss über ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll. „Die“ – das sind Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel und Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin, das prominenteste Mitglied der Niedersachsen-Grünen.

In der Tat: Am 28. August soll sich die Bund-Länder-Gruppe zur entscheidenden Runde zusammenfinden, um das geplante Endlager-Suchgesetz endgültig festzuzurren. Da laufen die Schulferien in Niedersachsen noch. Landesvorstand und Parteirat – „als niedersächsische Grüne sind wir von der Endlagerdebatte aufgrund des Standortes Gorleben in besonderer Weise betroffen“ – fordern daher, erst gemeinsam zu beraten. „Wir behalten uns ein Vetorecht vor“, sagt Niedersachsens Grünenchefin und Spitzenkandidatin Anja Piel im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Die Landespartei steckt in der Zwickmühle. Die Grünen müssen befürchten, bei der Landtagswahl am 20. Januar 2013 entweder als Verräter oder aber als Blockierer abgestraft zu werden. Dem Appell aus Hannover vorausgegangen waren heftige innerparteiliche Scharmützel und scharfe Kritik an Trittin. Der hatte Anfang Juli mit Gabriel und Altmaier an dessen Küchentisch Einigungslinien ausgelotet und vermutlich auch schon wichtige Punkte abgeräumt. Nichts davon drang bislang nach außen; prompt machte der Vorwurf der Geheimdiplomatie die Runde. Dazu kam, dass der grüne Bundesvorstand Eile beim Suchprozess anmahnte; alles andere sei schlecht für das Wendland. Die Basis dort fühlte sich daraufhin bevormundet. Empört und „in höchstem Maße irritiert“ forderten die grüne Landtagsfraktion und die aus dem Wendland stammende grüne Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, Rebecca Harms, in einem gemeinsamen Brandbrief von der grünen Bundesspitze mehr Transparenz und Beteiligung.

Dahinter steckt die Sorge, das geplante Gesetz könnte so ausgestaltet werden, dass schlussendlich doch alles auf den Salzstock in Gorleben hinausläuft. Anti-Atom-Aktivisten und die grüne Basis wollen das Erkundungsbergwerk, das sie „Schwarzbau“ nennen und seit mehr als drei Jahrzehnten vehement bekämpfen, sofort von der Liste potenzieller Standorte streichen. „Gorleben ist geologisch absolut ungeeignet“, sagt der Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Martin Donat, kategorisch. Niedersachsens SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2013 sieht dies genauso.

Trittin und auch SPD-Bundeschef Gabriel wollen Gorleben dagegen vorerst im Topf lassen – nicht zuletzt als Zugeständnis an die CDU. Ein vorurteilsfreies, wirklich ergebnisoffenes Verfahren an anderen Standorten sei nicht möglich, wenn man den Salzstock im Wendland von vornherein ausschließe, so argumentieren sie. Nie sei die Chance auf einen Kompromiss in der leidigen Endlagerfrage größer gewesen, diese Chance müsse man schnell nutzen, bevor es wieder andere Regierungskonstellationen gebe.

Doch schon einmal hatten die Grünen in Niedersachsen die Quittung für eine Verhandlungslösung bekommen. Nach dem Atomkonsens von 2000, der unter anderem einen Erkundungsstopp für Gorleben, aber gleichzeitig weitere Castor-Transporte in das dortige Zwischenlager festlegte, verlor die Partei in der Region massiv Wählerstimmen, Teile spalteten sich als Grüne Liste Wendland ab. Im Zentrum der Kritik: Jürgen Trittin, damals Bundesumweltminister, der mit der SPD pragmatisch vorgehen wollte.

Heute rätselt man über seine Motive. Er wolle sich erneut als Pragmatiker profilieren und sich einen politischen Erfolg in einer der umstrittensten Fragen auf die Fahnen schreiben, vermuten die einen. Andere hegen den Verdacht, Trittin wolle hier schon mal den Grundstein für eine schwarz-grüne Koalition im Bund legen. Konsequenzen für seine Nominierung auf der Bundestagswahlliste in Niedersachsen müsse er wohl dennoch nicht befürchten, schwant einer grünen Gorleben-Aktivistin. „Wir haben ja keinen besseren.“Peter Mlodoch

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