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Was geschah wirklich am Montag in Stuttgart? Die Meinungen sind geteilt.

© dpa

Grüne und Stuttgart 21: Hermann und die Polizei

Stuttgart 21: Der grüne Minister Winfried Hermann rechtfertigt Einsatzkräfte und rügt Demonstranten.

Der neue baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat am Mittwochabend auf einer Veranstaltung von Gegnern des Bahnhofsneubaus die Polizei in Schutz genommen. Die Ausschreitungen vom Montagabend, als mehrere hundert Demonstranten die Baustelle stürmten, Sachschaden in Millionenhöhe anrichteten und einen Polizisten schwer verletzten, hätten ihn „erschüttert“. Während die radikalen Parkschützer behaupteten, der Zivilbeamte habe als Provokateur gewirkt und sei nicht verletzt, erklärte Hermann, es gebe keinen Zweifel daran, dass der Polizist „gewaltsam behandelt“ worden sei. Dies zu bestreiten „ist keine gute Strategie“, sagte Hermann, was ein Teil der Zuhörer auf dem Rathausplatz mit Hohngelächter und Pfiffen quittierte.

Über das, was sich am Montag auf der S-21-Baustelle tat, gibt es zwei ganz unterschiedliche Positionen. Nach Darstellung der Polizei wurde ein 42-jähriger Kollege in Zivil, der sich bei einer Personenkontrolle auch offen zu erkennen gegeben habe, von Demonstranten angegriffen und schwer an Kopf und Hals verletzt. Man habe um sein Leben gefürchtet, sagte Stuttgarts Polizeipräsident Thomas Züfle. Der Beamte, in dessen Fall die Staatsanwaltschaft wegen versuchten Totschlags ermittelt, wurde am Mittwoch wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Stuttgart-21-Gegner werfen ihm vor, er habe versucht, Demonstranten zu Gewalt zu provozieren und sei lediglich in eine Rangelei mit ihnen verwickelt worden, als man ihn festzuhalten versuchte und dabei enttarnte – angeblich wurde dabei seine Dienstpistole sichtbar. Auf entsprechenden Videos im Netz allerdings sind mögliche Schlüsselszenen für die eine wie die andere Version nicht oder nur mit spezieller Technik zu erkennen. Gleiches gilt für Aufnahmen von der Detonation eines Böllers an der S-21-Baustelle am Montag. Deswegen kamen acht Polizisten ins Krankenhaus; sie sind, wie das Stuttgarter Polizeipräsidium bestätigte, inzwischen alle aus der Klinik entlassen.

Verkehrsminister Hermann, ein erklärter S-21-Gegner, verteidigte am Mittwochabend auch Polizeipräsident Thomas Züfle. Dieser pflege zivile, gewaltfreie Umgangsformen und sei „der beste Polizist, den wir in der Bundesrepublik haben“. Die Verantwortung für den Einsatz liege bei der Polizei, er erwarte, dass die sich ebenso wie die Demonstranten an die Regeln halte. „Ich will eine rationale Auseinandersetzung und verurteile Gewalt, auch gegen Sachen“, sagte Hermann und warnte sein Publikum vor weiteren Ausschreitungen: „Macht da nicht mit.“

Den Einsatz von Provokateuren bei der Polizei hält der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Rüdiger Seidenspinner, für ausgeschlossen. Dies sei eine „Strategie von vorvorgestern“, die man vor zehn bis 15 Jahren bei Protesten von Links- oder Rechtsextremen angewandt habe, um an Informationen zu kommen. Auch Züfle hatte eine solche Aktion verneint.

Am Wochenende will sich Hermann mit dem CDU-Politiker Heiner Geißler treffen, der nach der Schlichtung im Herbst auch die Präsentation des sogenannten Stresstests am 14. Juli übernimmt, bei dem die Bahn die Leistungsfähigkeit des neuen Bahnhofs nachweisen will. Diese Berechnung, die derzeit noch von einem Schweizer Fachunternehmen überprüft wird, hatte das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 im Herbst in der Schlichtung durchgesetzt. Mit seinem Wunsch, die Kapazität des bestehenden Kopfbahnhofs mit gleichen Verfahren zu ermitteln, war Hermann am Wochenende gescheitert. Ein S-21-Projektsprecher hat Hermann am Mittwoch aufgefordert, nicht länger den Eindruck zu erwecken, die Bahn habe kein Baurecht und arbeite illegal. Wenn das Land seiner Pflicht, das Vorhaben zu fördern, nicht nachkomme, verstoße es gegen seine vertraglichen Pflichten. Auch Claus Schmiedel, Fraktionschef des Koalitionspartners SPD im Landtag, rief Hermann auf, dieses Baurecht zu akzeptieren.

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