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Grüne: Wenn der Bauch nicht so will wie der Kopf

Die Grünen wollen am Wochenende politische Eigenständigkeit beweisen - doch mit den Konsequenzen tun sie sich schwer.

Von Hans Monath

Berlin - Zehn Jahre nach dem Start der Regierung Schröder/Fischer und drei Jahre nach deren Abwahl wollen sich die Grünen am Wochenende zur völlig eigenständigen Kraft in der deutschen Politik erklären. Während die Partei 1998 laut vom „rot-grünen Projekt“ schwärmte und sich damit selbst als Juniorpartner an die Sozialdemokraten fesselte, ruft der scheidende Parteichef Reinhard Bütikofer nun „das grüne Projekt“ aus: Auf einem kleinen Parteitag am Samstag sollen die Delegierten Profil und Selbstbewusstsein der Grünen stärken. „Wir haben heute bessere Chancen als 1998, für das grüne Projekt in der Öffentlichkeit und in unterschiedlichen Milieus Rückhalt zu gewinnen“, verkündet Bütikofer.

Um eine Koalitionsaussage geht es auf dem Grünen-Länderrat zwar noch nicht, wohl aber um die Stellung der Grünen im neuen Fünfparteiensystem. Zwar hatte ein Parteitag kurz nach dem Regierungsverlust vor drei Jahren die Erweiterung der Bündnisoptionen über die SPD hinaus erklärt. Allerdings droht sich diese Entscheidung als Papierbeschluss ohne emotionale Deckung zu erweisen, je näher das Wahljahr 2009 rückt.

Dem grünen Bauch widerstrebt, was die politische Logik gebietet. Allein die Aussicht, mit FDP-Chef Guido Westerwelle über gemeinsame Ziele für eine Dreierkoalition zu verhandeln, provoziert bei Parteilinken heftige Abwehrreaktionen. Realpolitiker argumentieren, dass ihre Partei auch mit den ungeliebten Liberalen kooperieren muss, wenn sie 2009 eine Neuauflage der großen Koalition verhindern und wieder mitregieren will.

Trotz aller Offenheit gegenüber neuen Konstellationen konstatiert der Leitantrag der Parteispitze, mit der SPD gebe es die größten Überschneidungen. Doch das Siechtum der SPD lässt die Grünen auf Distanz gehen. Bütikofer nennt den SPD-Zustand „wirklich besorgniserregend“. Den designierten Spitzenkandidaten für 2009, Jürgen Trittin, graut beim Blick auf den Wunschpartner: „Wenn die SPD nicht bald aus den Puschen kommt, dann sind alle Dreierbündnisse obsolet“, warnte er kürzlich: „Dann regiert 2009 Schwarz-Gelb.“

Öffentlichen Spott gefallen lassen müssen sich die Grünen, weil auch Wochen nach der Abschiedsankündigung von Bütikofer noch kein einziger Nachfolger seinen Anspruch angemeldet hat. Der Hesse Tarek Al-Wazir und die Hamburgerin Anja Hajduk sind unabkömmlich, solange in Wiesbaden keine stabile Mehrheit absehbar ist oder im Stadtstaat eine schwarz-grüne Regierung machbar bleibt – die Koalitionsverhandlungen mit der CDU kommen bislang gut voran. Weil als fähig gehandelte Kandidaten wie der Europaabgeordnete Cem Özdemir, der Tübinger OB Boris Palmer oder der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Robert Habeck mit Verweis auf Amts- oder Familienpflichten höflich ablehnten, höhnte die „Frankfurter Rundschau“ schon über die „Generation Kann- gerade-nicht“ bei den Grünen.

Tatsächlich amüsieren sich auch Mitglieder des amtierenden Führungsquintetts, dessen Mitglieder um die 50 Jahre alt sind, über die Zögerlichkeit der Jungen, die gerne laut nach einem Generationswechsel rufen. Freuen darf sich Parteichefin Claudia Roth, die im Gegensatz zu Bütikofer im Herbst wieder antreten will: Nachdem Nachwuchs-Realpolitiker zunächst gestreut hatten, sie dürfe einer Verjüngung der Parteispitze nicht im Weg stehen, scheint auch dieses Hindernis für ihre Wiederwahl nun ausgeräumt: Wo niemand nachdrängt, kann es auch keine Verjüngung geben. mit dpa

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