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Politik: Grünen-Chefs:Multikulti ist Freiheit

Die Grünen Parteivorsitzenden Bütikofer und Roth plädieren in einem Beitrag für den Tagesspiegel für eine neue Begründung der multikulturellen Gesellschaft: Es ist in der bundesrepublikanischen Debatte ein Feuer der Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit ausgebrochen. Es schwelte vorher schon.

Die Grünen Parteivorsitzenden Bütikofer und Roth plädieren in einem Beitrag für den Tagesspiegel für eine neue Begründung der multikulturellen Gesellschaft:

Es ist in der bundesrepublikanischen Debatte ein Feuer der Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit ausgebrochen. Es schwelte vorher schon. Wir müssen es wieder gelöscht bekommen. Es geht um die multikulturelle Gesellschaft, es geht zugleich um die Freiheit. Denn ohne Multikulturalität ist in modernen Gesellschaften Freiheit nicht buchstabierbar.

Wir Grüne sind seit langem Pioniere der „Multikulturalität“. Sie steht für eine unbestreitbare Realität und zugleich für ein starkes Freiheitsideal, das unterschiedliche Lebensweisen achtet. Multikulturalität verweist dabei nicht nur auf ethnische und religiöse Pluralität, sondern auf den Pluralisierungsprozess westlicher, postmoderner Gesellschaften überhaupt. Dahinter steht eine Kultur des Respekts, die „abweichende Lebensweisen“ anerkennt, nicht nur duldet oder erlaubt. Dabei ist Toleranz eine Haltung der Bürgerinnen und Bürger zueinander: Sie sind zugleich Tolerierende und Tolerierte, und zwar als dem Recht zugleich Unterworfene und es Setzende.

Multikulturalität ist kein Kindergeburtstag, sondern verlangt Rücksicht und bringt Zumutungen und Konflikte. Sie fordert oft sogar Toleranz für Lebensweisen, die man für „falsch“ hält. Sie mutet Deutschen und Zuwanderern etwas zu, weil sie für alle Freiheit über kulturelle Konvention stellt und glaubt, dass am Ende alle etwas von dieser Pluralität haben. Das bedeutet aber, dass Multikulturalität starke gesellschaftliche und rechtliche Voraussetzungen hat, für die die Begriffe der Integration und des Verfassungspatriotismus stehen. Multikulturalität und Integration sind nicht gegeneinander auszuspielen. Das wäre falsch und gefährlich. Multikulturalität ist nur in integrierten Gesellschaften möglich.

Die Fähigkeit, Deutsch zu sprechen, ist ein Schlüssel für die Teilhabe an unserer Gesellschaft. Deshalb haben wir uns im Zuwanderungsgesetz für ein verpflichtendes Angebot an Sprachkursen eingesetzt. Über die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund entscheiden bereits Vorschule und Schule; unter ihnen gibt es eine hohe Anzahl von Schulabgängern ohne Abschluss. Wir brauchen deshalb eine mutige Bildungsreform mit einem verpflichtenden Vorschuljahr und einer neuen Schule, die nach dem skandinavischen Vorbild stärker differenziert und später selektiert. Wer von Integration redet, aber in der Bildungspolitik Ausgrenzung zulässt, ist unglaubwürdig.

Nur eine multikulturelle Gesellschaft, die die Spielregeln der Demokratie einhält und die die fundamentalen Freiheits- und Menschenrechte achtet, kann funktionieren. Darauf gründen die berechtigten Forderungen an die Zuwanderer. Die Differenz der Lebensweisen kann nur auf der gemeinsamen Grundlage des liberalen, demokratischen Verfassungsstaats bestehen. Deshalb sollten wir von „multikultureller Demokratie“ sprechen. Der Verweis auf Demokratie und Rechtsstaat ist dabei nicht formal zu verstehen, sondern als leidenschaftliche Anknüpfung an die gemeinsame Verfassung. Sie steht nicht für Indifferenz, sondern für die Freiheit und die Unterstützung unterschiedlicher Kulturen bei gleicher Anerkennung.

Eine Konsequenz aus dem Mord in Holland und der Gefahr des islamistischen Terrorismus muss sein, die Integration von deutschen Muslimen zu fordern und zu befördern. Dies erfordert, auf Basis einer klaren Position von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, einen Dialog mit den verschiedenen muslimischen religiösen Vereinigungen mit dem Ziel ihrer Institutionalisierung und dem Angebot einer Heimat im demokratischen Rechtstaat. Die notwendige Kehrseite einer entschiedenen Bekämpfung des terroristischen Islamismus und einer streitbaren Auseinandersetzung mit allen religiös oder kulturell begründeten Vorstellungen von Ungleichheit und Unfreiheit ist eine Politik des Respekts und der Anerkennung, die den Islam als gleichberechtigte Religion akzeptiert und Muslime rechtlich und politisch integriert.

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