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Wer zieht mit Jürgen Trittin in den Wahlkampf?

© dapd

Grünen-Kandidatinnen: Gesucht: Eine Frau für Trittin

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kandidiert als grüner Spitzenkandidat für die Bundestagswahl – aber wer zieht mit ihm in den Wahlkampf? Klar ist: Eine Frau muss es sein. In Frage kommen mehrere Damen.

Von Hans Monath

Jürgen Trittin will es wissen. Mit den Worten „Ich trete an“ kündigte der Fraktionschef am Wochenende seine Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2013 an. Da die Grünen strikt daran festhalten, dass in einem Zweierteam auch eine Frau vertreten sein muss, bleibt es bis zur Entscheidung über eine Urabstimmung Anfang September spannend. Gehandelt werden neben Trittin Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefin Renate Künast und Parteichefin Claudia Roth.

Die Bundestagsvizepräsidentin ist die Wunschkandidatin der Realpolitiker in der Partei. Sie fürchten, dass ein Duo der beiden altbekannten Parteilinken Trittin und Roth jene neuen Wählerschichten vor allem im Süden der Republik nicht anspricht, denen der erste grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann seinen Erfolg im Südwesten verdankt. „An der Grünen-Basis gibt es durchaus Sehnsucht nach Erneuerung, nach einem Angebot für werteorientierte Wähler in der Mitte der Gesellschaft und nach einem frischen Gesicht“, sagt der bayerische Parteichef Dieter Janecek.

Allerdings trauen auch manche Unterstützer Göring-Eckardt nicht zu, dass sie kämpfen will. Vorsichtige Bereitschaftssignale hat die Vorsitzende der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ausgesandt, dann aber bei wichtigen Grünen den Eindruck hinterlassen, sie wolle nur unter der Voraussetzung antreten, dass ihr die Kandidatur auf dem Frauenplatz auf dem Silbertablett präsentiert wird. Offiziell schweigt die Thüringerin und lässt auch ihre vehementesten Unterstützer im Ungewissen. „Ich hoffe, dass sie antritt“, sagt die Fraktionschefin der Grünen im Stuttgarter Landtag, Edith Sitzmann. Auch Kretschmann soll die 46-Jährige zum Sprung gedrängt haben. Inzwischen sprach er sich für Trittin als alleinigen Spitzenkandidaten aus.

Fraktionschefin Renate Künast ist im Urlaub und lässt Presseanfragen nach einer Bewerbung um die Spitzenkandidatur unbeantwortet. Für sie steht weit mehr auf dem Spiel als für die beiden anderen potenziellen Bewerberinnen, womöglich sogar ihre Rückkehr in den nächsten Bundestag. Nach ihrer Niederlage bei der Berlin-Wahl verlor Künast die Unterstützung der wichtigsten Realpolitiker, die sich in der aktuellen Kandidatenfrage dann auch überwiegend für Göring-Eckardt aussprachen.

Auf leidenschaftliche Unterstützung dieses Parteiflügels gegen die populäre Parteichefin Roth kann sie nicht mehr zählen, was ihre Chancen im Wettkampf schmälert. Andererseits hat sie zu lange gewartet, als dass eine Verzichtserklärung noch als Zeichen von Souveränität durchgehen könnte. Weil Künast eine Kämpferin ist, wird bei den Grünen damit gerechnet, dass sie dennoch antritt. Auf vielen Parteitagen hat sie gezeigt, dass sie Stimmungen drehen kann – und womöglich werden Grünen-Landesverbände vor einer Urabstimmung Regionalkonferenzen organisieren. Aber das Risiko ist hoch, dass in der Abstimmung gegen Trittin und Roth offensichtlich wird, dass die 56-Jährige dramatisch an Bindungskraft eingebüßt hat. Offen ist, ob in diesem Fall auch die Berliner Grünen die Geduld verlieren würden und ihr bei der Listenaufstellung für die Bundestagswahl den ersten Listenplatz verweigern.

Der Kampf um Frauenrechte gehört zu den Gründungsimpulsen der Partei

Als Favoritin gilt ohnehin die Parteichefin. Wenn sich die grüne Basis eine Lieblingsvertreterin basteln könnte, käme wahrscheinlich eine Art Claudia Roth dabei heraus. Die gelernte Dramaturgin wird in der Partei als absolut authentisch wahrgenommen. Ruhelos reist sie durch die Republik, beehrt auch abgelegene Ortsverbände, hört zu und ist sich nicht zu schade, auch dann ihre ganze Leidenschaft für Menschenrechtsthemen zu entfalten, wenn nur eine Handvoll Zuhörer erschienen ist. Gegen Roth, die eine drohende Alleinkandidatur von Trittin mit einem Machtwort zur Frauenquote beendet hatte, geht wenig bei den Grünen. Das Plädoyer von Realos, im Interesse eines breiten Angebots zugunsten von Göring-Eckardt zu verzichten, ließ sie an sich abprallen: Sie bekräftigte nun, dass sie antreten wird.

Nur einmal in ihrer Geschichte, im Wahlkampf 2002, haben die Grünen auf einen männlichen Solo-Spitzenkandidaten gesetzt. Der war sehr populär und hieß Joschka Fischer. Trotzdem schworen sich viele grüne Politikerinnen damals: Das machen wir nie wieder.

Der Kampf um Frauenrechte gehört zu den Gründungsimpulsen der Partei, in der eine strenge Frauenquote gilt: Der erste Listenplatz bei Wahlen muss immer weiblich besetzt werden. Womöglich ist das ein Grund für den überproportional hohen Anteil von Wählerinnen. Daneben verlangen beide Parteiflügel, bei Personalentscheidungen berücksichtigt zu werden. Das ergibt eine doppelte Quotierung, nämlich Frau-Mann, Linker-Realo. Trittin ist mittlerweile allerdings das Kunststück gelungen, auch von den Realos voll akzeptiert zu werden. Der basisdemokratische Anspruch der Partei macht wichtige Personalien noch schwieriger. Wenn es mehr als zwei Bewerber gibt, so lautet der Beschluss, soll statt eines Parteitags eine Urabstimmung der fast 60.000 Mitglieder entscheiden.

Auf Parteitagen sind die Bataillone von Linken und Realpolitikern überschaubar. Der Ausgang einer möglichen Urabstimmung aber sei „für niemanden kalkulierbar“, sagt Bayerns Parteichef Janecek voraus. Manche Politiker der Grünen können sich sogar vorstellen, dass am Ende zwei Frauen die meisten Stimmen holen und Trittin dann auf der Strecke bleibt. Doch solche schwarzen Gedanken sind nicht weit verbreitet in der Ökopartei.

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