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Im Zeichen der Sonnenblume: Grünen-Bundesvorsitzender Cem Özdemir spricht auf einem Parteitag.

© dpa

Grüner Spitzenkandidat?: Was Özdemir von Fischer und Kretschmann gelernt hat

Der Grünen-Chef kommt aus der Deckung: Als Realpolitiker will Cem Özdemir 2017 Top-Wahlkämpfer werden. Doch es gibt ein Problem mit dem linken Parteiflügel.

Von Hans Monath

Die Kampagne war gut vorbereitet. Monatelang hatte Grünen-Chef Cem Özdemir seine Partei rätseln lassen, wann er sich um die Spitzenkandidatur der Grünen bei der Bundestagswahl 2017 bewerben würde. Kaum hatte der Sohn türkischer Gastarbeiter seinen Anspruch am Wochenende dann verkündet, wurde seine Videobotschaft verbreitet.

Darin wandelt der "anatolische Schwabe" (Özdemir) durch die Fachwerkkulisse seiner Heimatstadt Bad Urach und erinnert sich an Demütigungen eines Ausländerkindes in der Schule sowie an die Anfänge seines politischen Engagements. Die Botschaft nach vier Minuten: "Wir haben Großes vor!" Er wolle als Spitzenkandidat die Grünen wieder in die Bundesregierung führen. Ähnlich wie "Uncle Sam" auf dem bekannten US-Plakat deutet der 50-Jährige zum Schluss mit dem Finger auf den Betrachter und sagt: "Dafür brauche ich eure Unterstützung bei der Urwahl."

Als Politiker seine eigene Glaubwürdigkeit und seine eigene Geschichte herauszustellen, galt bei den Grünen lange als verpönt und wurde nur bei einem Ausnahmetalent wie Joschka Fischer gerade noch geduldet. Doch der Triumph seines Landsmannes Winfried Kretschmann hat Özdemir in der Überzeugung bestätigt, dass Persönlichkeiten Wahlen entscheiden und seine Partei dies endlich verstanden hat.

Ohnehin ist der Realpolitiker weit häufiger in den Medien vertreten als andere grüne Spitzenpolitiker – auch häufiger als seine männlichen Gegenkandidaten, Fraktionschef Anton Hofreiter und Schleswig-Holsteins Vize-Ministerpräsident Robert Habeck. Als weibliche Spitzenkandidatin gilt Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt als gesetzt.

Bei der Urwahl des männlichen Spitzenkandidaten muss die grüne Basis nun entscheiden, ob sie den wertegebundenen Pragmatismus Özdemirs im Wahlkampf für attraktiver hält als die Präsenz beider Parteiflügel. Özdemir kommt wie Göring-Eckardt aus dem Lager der Realpolitiker, von den männlichen Bewerbern ist nur Hofreiter Parteilinker.

Dessen linkem Lager dürfte nicht gefallen, dass der Parteichef am Wochenende starke Zweifel an der SPD äußerte und Rot-Grün im Bund für unwahrscheinlich erklärte. Indirekt warb er damit für eine Koalition mit der Union. Özdemir selbst gab sich in einem ARD-Interview überzeugt, dass der Wunsch nach Flügel-Parität ihn nicht aufhalten wird. Sein Argument: "Draußen interessiert sich kein Schwein dafür, wer welchem Flügel angehört."

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