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Grundgesetz-Streit in der Koalition: Piratenjagd nur im Rahmen einer EU-Mission?

Geht es nach der Union, dann soll die deutsche Marine bald im großen Stil, ausgestattet mit einem Mandat des Bundestages, am Horn von Afrika Piraten jagen. Das Problem: Mehr Handlungsspielraum für die Bundeswehr - das geht nicht ohne eine Änderung des Grundgesetzes. Und da spielt die SPD wohl kaum mit.

Für die große Koalition ist das wohl die einfachste Lösung: eine Anti-Piraten-Mission der EU am Horn von Afrika, an der sich die deutsche Marine - ausgestattet mit einem Mandat des Bundestags - beteiligt. Für den Rest der Wahlperiode hätte die Regierung dann Ruhe an dieser Front. Denn am Horn von Afrika geht es der Union nicht nur um den Kampf gegen Piraten, die EU-Hilfsgüter für Somalia an sich reißen oder Segler entführen. Sie würde für einen solchen Einsatz der Bundeswehr am liebsten das Grundgesetz ändern, um den Streitkräften mehr Handlungsspielraum zu verschaffen - allerdings dann nicht nur in Afrika, sondern auch in Deutschland. Und da stellt sich die SPD quer.

Bei einer Mission der Europäischen Union wäre Deutschland mit im Boot, ohne dass Union und SPD ihren Streit ausfechten müssten - beide könnten weiter hoffen, ihre Position nach der nächsten Bundestagswahl mit einem anderen Partner durchzusetzen. Die Marine kreuzt bereits im Rahmen des US-geführten Anti-Terror- Kampfes "Operation Enduring Freedom" (OEF) mit einer Fregatte am Horn von Afrika.

Nur die Bundespolizei darf Piraten jagen

Fast trotzig hatte das Verteidigungsministerium über Wochen erklärt, dass sie laut geltendem Recht Piraten nicht verfolgen dürfe. Das sei in dem Mandat nicht vorgesehen und der Bundespolizei vorbehalten. Während diese aber das Recht dazu habe, jedoch nicht die Mittel, verfüge die Bundeswehr über die Mittel und nicht über das Recht, argumentierte das Ressort von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Die Bundeswehr kann zwar jederzeit im Zuge der Nothilfe Schiffen zu Hilfe eilen, die von Piraten bedroht werden. Doch die Auflagen sind streng. Überspitzt formuliert, müsste die deutsche Marine schon in Hörweite der Piraten sein und diese bitten, von der Kaperung des Schiffes abzusehen.

Intern verlautet aus der Bundeswehr jedoch, dass kaum ein Kommandant tatenlos zusehen würde, wenn er mit seinem Schiff und seiner Mannschaft anderen Besatzungen aus der Not helfen könnte. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes (AA) wäre es im Falle Somalias für die Bundeswehr derzeit völkerrechtlich ohnehin kein Problem, Jagd auf Piraten zu machen, weil die somalische Regierung selbst die Vereinten Nationen um Hilfe in den eigenen Hoheitsgewässern gebeten hat. Ferner verweist das AA auf Befugnisse durch das internationale Seerechtsübereinkommen, das Völkergewohnheitsrecht und die Artikel 24 und 25 der Verfassung. Letztere regeln Maßnahmen der kollektiven Sicherheit etwa in Hoheitsgewässern und den Vorrang des Völkerrechts.

Die SPD bezeichnete das Begehren der Union bereits mehrfach als "völligen Unsinn", einen Passus in die Verfassung aufzunehmen, durch den die Bundeswehr ausdrücklich bisherige Polizeibefugnisse übernehmen dürfte. So wird in Berlin kaum erwartet, dass die vor allem von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) seit Jahren geforderte Grundgesetzänderung zur Übernahme von Polizeiaufgaben durch die Bundeswehr und deren Einsatz im Inland in der Zeit dieser großen Koalition noch einmal ernsthaft auf den Tisch kommt.

Kristina Dunz[dpa]

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