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GRUNDRECHTESCHUTZ IN DER EU: Begrenzte Sanktionsmöglichkeiten

Den Brüsseler Ratschlag, die Verfassungsnovelle vorab von der EU-Kommission und dem Europarat auf ihre Konformität mit den Grundrechten hin überprüfen zu lassen, hat Ungarns Regierungschef Viktor Orban unbeachtet gelassen. Entsprechend haben EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und Thorbjørn Jagland als Generalsekretär des Europarats noch am Montagabend gemeinsam erklärt: „Leider“ hätten die Prüfer „vorab keine Gelegenheit“ gehabt, die Änderungen unter die Lupe zu nehmen, „die Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit hervorrufen“.

Den Brüsseler Ratschlag, die Verfassungsnovelle vorab von der EU-Kommission und dem Europarat auf ihre Konformität mit den Grundrechten hin überprüfen zu lassen, hat Ungarns Regierungschef Viktor Orban unbeachtet gelassen. Entsprechend haben EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und Thorbjørn Jagland als Generalsekretär des Europarats noch am Montagabend gemeinsam erklärt: „Leider“ hätten die Prüfer „vorab keine Gelegenheit“ gehabt, die Änderungen unter die Lupe zu nehmen, „die Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit hervorrufen“. Diese Untersuchung wird nun nachgeholt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat eine solche schon am Dienstag geliefert: „Die jüngsten Änderungen lassen keinen Zweifel an der Missachtung des Rechtsstaatsprinzips“, hieß es in einer Erklärung der Organisation. Barrosos Sprecherin hat die Bereitschaft zu Gegenmaßnahmen schon bekundet. Um europäischem Recht Geltung zu verschaffen, werde man „nicht zögern, alle Instrumente, die uns zur Verfügung stehen, auch einzusetzen“. Das ist zum einen das Mittel des öffentlichen Drucks. Der liberale Fraktionschef im Europaparlament, Guy Verhofstadt, forderte als Erster, Ungarn müsse auf die Agenda des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag gesetzt werden. Im Umfeld von Ratschef Herman Van Rompuy weist man die Zuständigkeit jedoch von sich, erst müsse geprüft werden, ob ein Verstoß vorliege: „Der Europäische Rat kommt erst ins Spiel, wenn nach Artikel 7 gehandelt wird – und das ist die Atombombe.“ Tatsächlich ist die EU vor diesem härtesten ihr zur Verfügung stehenden Mittel bisher zurückgeschreckt, das bei dauerhaft verletzten Grundwerten die Aussetzung der EU-Mitgliedschaft – also einen Entzug der Stimmrechte – ermöglicht. Die Möglichkeit war geschaffen worden, nachdem die Regierungsbeteiligung des Rechtspopulisten Jörg Haider 1999 in Österreich zu Spannungen geführt hatte, aber kein Sanktionsmechanismus zur Verfügung gestanden hatte.

Und weil das Mittel eines Vertragsverletzungsverfahrens nicht auf die Grundrechtecharta und die Menschenrechtskonvention des Europarates, die nur „als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts“ sind, Anwendung findet, hat Außenminister Guido Westerwelle eine Debatte über das Instrumentarium angestoßen. Gemeinsam mit drei Amtskollegen hat er Barroso aufgefordert, einen EU-Gesetzesvorschlag für „einen neuen und effektiveren Mechanismus zum Schutz der Grundrechte“ vorzulegen. Auch die EU-Kommission stuft das Artikel-7-Verfahren als wenig handhabbar ein. Christopher Ziedler

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