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Politik: Grundsätze – oder Eitelkeiten?

Wie der CSU-Gesundheitspolitiker Seehofer seinen Streit mit der Unionsspitze zum Thema Zahnersatz erklärt

Von Robert Birnbaum

Das will er jetzt aber doch erst mal klarstellen: Ein bisschen verrückt oder, sagen wir vornehmer, leicht neben der Spur ist er nicht. „Nach allen Werten, die man in einem menschlichen Körper messen kann, bin ich gesund. Die sind alle exzellent.“ Horst Seehofer ist am Donnerstagnachmittag im Jakob-Kaiser-Haus erschienen, um – jedenfalls von seiner Warte aus – den Fall Seehofer abschließend zu behandeln. Das ist allerdings etwas schwierig. Denn wenn der CSU-Vize, Vizefraktionschef und Gesundheitsexperte Seehofer sich selbst Ernst nimmt, dann wird sein Fall noch lange weiter schwelen.

Zu besichtigen ist aber erst einmal ein sehr konzilianter Horst Seehofer, der all die verdeckt unfreundlichen Kommentare, die er jetzt nach eintägigem Schweigen zwei Tage lang in Funk und Fernsehen abgegeben hat, gar nicht unfreundlich gemeint hat. Dass er zum Beispiel moniert hatte, dass man in letzter Minute vor einer Fraktionssitzung Grundsatzfragen nicht entscheiden dürfe, das sei „eine Lehre für uns alle, die wir in der Führung sind“ – und mitnichten Kritik am Führungsstil oder gar an der Entscheidung der Parteivorsitzenden Angela Merkel und Edmund Stoiber.

Folgt man im übrigen Seehofers Darstellung der Abläufe, dann fand er die Ausgliederung von Leistungen – hier konkret: den Zahnersatz – aus der gesetzlichen in die Privat-Krankenkasse immer schon prinzipiell falsch. Deswegen habe in den einschlägigen Fraktionsbeschlüssen vom Februar nur die Formulierung gestanden, die Union wolle diesen Weg „prüfen“. Wenn sich einige erinnern wollen, dass die Zahn-Idee von Seehofer selbst gekommen sei, dann sei das falsch. Tatsächlich hatte, als die Union ihr Gesundheitskonzept vorstellte, diesen Part der CDU-Sozialpolitiker Andreas Storm vertreten. Seehofer hatte freilich in der Pressekonferenz auch keinen Widerwillen gegen die Idee erkennen lassen, was zu der Wahrnehmung beigetragen haben mag, der CSU-Mann trage den Vorstoß im Kern mit.

Trug er aber nicht, und er will es auch weiterhin nicht tun. Das habe mit „Emotion, Eitelkeit oder Macht oder was man sich noch so denken kann in der Politik“ nichts zu tun – das sei, Seehofer versichert es immer wieder, eine „signifikante Grundsatzfrage“ und also einer der Überzeugung. Weshalb er seinen Protest in der bekannten Form deutlich gemacht habe – auch schon mal vorsorglich für den Fall, dass Storm und andere in der CDU die Gebiss-Privatisierung tatsächlich nur als Einstieg in einen noch viel weitergehenden Systemwechsel behandeln wollten.

Das alles klingt nachvollziehbar. Aber wieso bleibt dann einer allen entscheidenden Sitzungen der Fraktion fern, wieso lässt er sich nicht mal am Telefon erreichen? Weil, sagt Seehofer, sein Erscheinen alles noch viel schlimmer gemacht hätte. Er hätte offen widersprochen. „Dann wär’s noch größer eine Frage der Loyalität gewesen.“

Das ist nicht ganz falsch überlegt. Die komplette Wahrheit ist es allerdings wohl auch nicht. Das wütende Abtauchen des Horst Seehofer ist nämlich kaum von der Tatsache zu trennen, dass er sich machtpolitisch verkalkuliert hatte. Noch wenige Tage vor dem entscheidenden Chefgespräch hat er sich sicher gezeigt, dass in diesem Streit, in dem Merkel seine politischen Widersacher aus der CDU stützt, Stoiber fest auf seiner Seite steht. Das erwies sich als falsch. Dass er danach erst drohend schwieg und dann halblaut mit Rücktritt drohte – das hat, Grundsatzfrage hin oder her, zumindest am Rande auch mit Emotion, Eitelkeit und Macht zu tun.

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