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Politik: Grunzen statt reden

Britische Eltern sprechen kaum noch mit ihren Kindern, sagt eine Regierungsstudie. Deutsche tun es mehr denn je

Es wird gebrummt und gegrunzt in Englands Familien. Manchmal kommen den Eltern auch kurze Zurufe über die Lippen. Richtig geredet wird aber kaum noch. Der Grund: Die Leute arbeiten zu viel, oder sie hocken nur vor dem Fernseher. Das jedenfalls haben Familienforscher im Auftrag der britischen Regierung herausgefunden, berichtet jetzt die „Times“. Danach gibt es sogar schon Pläne, Erziehungsprogramme einzuführen, in denen Eltern wieder eines lernen sollen: mit ihren Kindern zu reden.

Drohen auch in Deutschland englische Verhältnisse? Walter Bien winkt ab. Es lasse sich ein ähnlich „reduziertes Verhalten“ nicht feststellen, sagt der Forscher vom Deutschen Jugendinstitut in München im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Ganz im Gegenteil. In deutschen Familien wird immer mehr miteinander geredet.“ Seinen Untersuchungen zufolge, haben sich Eltern noch nie so viel wie heute mit ihren Kindern beschäftigt. Das habe die erste deutschlandweite „Zeitbudgetstudie“ des Statistischen Bundesamtes bereits 1996 herausgefunden. Damals mussten mehr als 2000 Menschen 48 Stunden lang Tagebuch führen. „Die Leute haben schon viel ferngesehen, aber deshalb noch lange nicht weniger geredet“, sagt Bien. In diese Richtung werde auch die zweite Studie gehen, die Ende des Jahres vorgestellt werden soll.

Ein anderer Trend sei jedoch schon längst bewiesen: Die Art, wie Eltern und Kinder miteinander reden, hat sich in den letzten Jahrzehnten entscheidend geändert. Aus dem „Befehlsempfänger“ Kind ist ein Gesprächspartner geworden.

Vom Befehlston zum Aushandeln – so nennt es Klaus Schneewind von der Ludwig-Maximilians-Universität. Der Professor ist Experte in Sachen Familienforschung. Für ihn liegt das Problem im Zuhören. „Das findet in den meisten Familien nämlich kaum noch statt“, sagt Schneewind. Dabei ist es das Wichtigste, wenn ein Gespräch funktionieren soll. „Wer nicht zuhört, kann vor allem in Konflikten nicht mit anderen umgehen“, schlussfolgert er aus seinen eigenen Studien. Nicht umsonst sei das der häufigste Grund für Scheidungen.

Sandra Wirsching

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