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Guantanamo-Prozesse: Obamas Anti-Terrorpolitik entzweit die USA

Nach der Entscheidung, die Drahtzieher des Terroranschlags vom 11. September 2001 von Guantanamo nach New York zu bringen, streiten Republikaner und Demokraten über die Art des Verfahrens.

Die US-Republikaner haben die Entscheidung der Regierung von Präsident Barack Obama, die Drahtzieher des Terrorangriffs vom 11. September 2001 vom Gefangenenlager Guantanamo nach New York zu bringen, um sie dort vor ein reguläres Strafgericht zu stellen, als „verantwortungslos“ verurteilt. Der Präsident stelle damit „die Spezialinteressen progressiver Gruppen über die Sicherheit des amerikanischen Volkes“, kritisierte John Boehner, Fraktionsführer der Republikaner im Abgeordnetenhaus. Aus Sicht der Konservativen, schreibt die „Washington Post“, seien Militärtribunale in Guantanamo, wie sie George W. Bush vorgesehen hatte, die geeignetere Form zur Aburteilung solcher „Kriegsverbrecher“, weil sie mehr Sicherheit garantierten und einem „rücksichtslosen Feind adäquate juristische Verteidigungsmöglichkeiten geben“.

Boehner warnte vor dem Risiko, dass „der Prozess gegen Khalid Sheik Mohammed und seine Mitverschwörer wegen juristischer Feinheiten mit einem ,Nicht schuldig’-Urteil enden“ könnte. „Die Aussicht müsste jeden Amerikaner stutzen lassen.“ Er spielt damit offenbar auf die Möglichkeit an, dass ein Strafgericht Aussagen und Geständnisse, die unter Folter gemacht wurden, nicht als Beweismittel akzeptieren könnte.

Justizminister Eric Holder hatte am Freitag angekündigt, den 9/11-Attentätern ab Jahresbeginn 2010 einen Strafprozess in New York zu machen. „Seit mehr als 200 Jahren hält sich unsere Nation treu an die Regeln des Rechtsstaats.“ Er sei überzeugt, dass „unsere Justiz auch diesmal dem Ruf von Fairness und Gerechtigkeit folgen wird“. Diese Wendung war erwartet worden. Obama hatte Bushs Militärtribunale im Wahlkampf als fragwürdige Instrumente kritisiert. Überraschend war der Zeitpunkt der Bekanntgabe: kurz nachdem Obama zu einer achttägigen Reise durch Asien aufgebrochen war. Die bevorstehenden Terrorprozesse sind nun das Hauptthema der US-Medien während seiner Abwesenheit.

Die ersten Reaktionen von Bürgern sind gemischt. Fast alle äußern die Sorge, Prozesse auf dem US-Festland seien ein Sicherheitsrisiko und erhöhten die Gefahr neuer Anschläge. Befürworter finden es richtig, die Attentäter nahe dem Tatort zur Rechenschaft zu ziehen: in der Umgebung des Platzes, wo die Türme des World Trade Centers standen. Dort starben rund 3000 Menschen.

Die Kritik an der Entscheidung reicht bis weit in die Demokratische Partei hinein. James Webb, demokratischer Senator von Virginia, sagt, solche Terroristen „gehören nicht in unser Land, gehören nicht vor unsere Gerichte, gehören nicht in unsere Gefängnisse“.

Nur ein kleine Minderheit in den USA äußert die umgekehrte Kritik: Obama mache angesichts der öffentlichen Stimmung zu viele Abstriche an der versprochenen Wende in der Gefangenenpolitik. Die American Civil Liberties Union (ACLU), die seit Jahren juristische Hilfe für Terrorverdächtige organisiert, nennt den Zivilprozess „einen großartigen Sieg auf dem Weg, den Rechtsstaat wiederherzustellen und Amerikas Ansehen in der Welt zu reparieren“. Zugleich kritisiert sie, dass Obama für andere Terrorverdächtige weiter einen Prozess vor Militärtribunalen vorsehe, darunter die Täter beim Angriff auf das US-Kriegsschiff „Cole“, obwohl er die Tribunale im Wahlkampf noch abschaffen wollte. Andere Organisationen und auch Menschenrechtler unterstützen dagegen diese Entscheidung, weil Obamas Militärtribunale den Angeklagten mehr Rechte geben und weil die Differenzierung einer inhaltlichen Logik folge. „Sowohl Kriegsrecht als auch Strafrecht bieten angemessene Rechtsmittel“, sagt Kate Martin vom Center for National Security Studies. „Wer Zivilisten umgebracht hat, kommt vor ein Strafgericht. Wer Militärobjekte angreift, vor ein Militärtribunal. Das klingt doch sinnvoll.“

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