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Guantanamo: Wohin mit den Häftlingen?

Das US-Gefangenenlager Guantanamo könnte bald geschlossen werden. Der Außenminister denkt nun über die Unterbringung der Gefangenen nach. Im Inland entbrennt ein Streit, ob die Häftlinge nach Deutschland kommen sollen. Aber wer sitzt in Guantanamo und warum können die Personen nicht freigelassen werden?

Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat für Aufsehen gesorgt. Der Außenminister lässt die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen vorbereiten. Schon regen sich die ersten Stimmen aus Berlin und Bayern, die keine Häftlinge aufnehmen wollen. Sind sie ein Sicherheitsrisiko?

Um wen geht's?

Die Bush-Regierung hat im letzten Jahr hunderte Gefange nach Hause geschickt. Unter den verbliebenen Insassen sind teils Terrorverdächtige, die Amerika aburteilen will. Doch die Prozesse werden durch den juristischen Streit um Verfahrensregeln, zulässige Beweise und die Frage, ob die Militärtribunale rechtmäßig sind, verzögert. Von den verbliebenen 250 Insassen gelten mindestens 50 als unschuldig. Für diese 50 Personen wird ein Aufenthaltsort gesucht. Marokkaner, Saudis aber auch Uiguren befinden sich unter diesen Personen.

Warum können die Häftlinge nicht nach Hause?

Viele der Häftlinge in Guantanamo gelten nicht mehr als terrorverdächtig. Sie können aber auch nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden, weil sie dort politisch verfolgt würden. Der Fall von 17 Uiguren erregte Aufsehen. Sie waren um die Jahreswende 2000/2001 in Afghanistan aufgegriffen worden, in den Wirren des Krieges zum Sturz der Taliban. Laut Terrorbekämpfern waren sie in islamistischen Lagern im Waffengebrauch unterrichtet worden. Deshalb wurden sie als feindliche Kämpfer eingestuft und nach Guantanamo gebracht. Inzwischen sind die Ankläger der Überzeugung, dass sich der Kampf der Uiguren nicht gegen die USA richte. China verlangt ihre Auslieferung. Das verweigern die USA jedoch, weil die Uiguren in der Volksrepublik kein rechtsstaatliches Verfahren bekämen.

Auch Menschenrechtsorganisationen stufen die Situation ähnlich ein. So hat unter anderem Amnesty International die Regierungen in Europa aufgerufen, Guantanamo-Häftlingen die Entlassung zu ermöglichen. 50 Häftlinge könnten nicht in ihre jeweiligen Heimatländer zurückkehren, weil ihnen dort Folter drohe.

Warum das Angebot von Steinmeier?

Die Offerte des Außenministers ist in erster Linie ein Signal des guten Willens an den kommenden US-Präsidenten Barack Obama. Steinmeier möchte die Chance nutzen und Obama in dieser heiklen Sache Hilfe anbieten. Denn die Ansiedlung der Gefangenen in den USA ist schwierig, da der US-Bevölkerung in den letzten Jahren immerfort versichert wurde, dass die Häftlinge schuldig seien. Steinmeier versucht, sich nun als Freund zu positionieren und gleichzeitig nutzt er die Möglichkeit, das ramponierte Image des Westens im Umgang mit den Menschenrechten zu verbessern.

Die Chance auf anderen Feldern Obama entgegenzukommen, sind begrenzt. Beispielsweise stößt die US-Forderung die Truppen in Afghanistan aufzustocken, bei der deutschen Regierung und auch bei der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe.

Was sind die Reaktionen in Deutschland?

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), spricht sich für die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen aus. "Es wäre eine angemessene Geste der Humanität, wenn wir auch in Deutschland unschuldige Inhaftierte aufnehmen würden", sagte Edathy. Allerdings knüpft er das an Bedingungen: "Erstens darf nichts strafrechtlich Relevantes vorliegen. Zweitens muss es sich um Staatsbürger handeln, denen die Rückkehr in ihr Herkunftsland nicht zuzumuten ist.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wandte sich gegen eine Aufnahme ehemaliger Guantanamo-Häftlinge in Deutschland. Das US-Gefangenenlager auf Kuba sei zwar eine "rechtswidrige Einrichtung", sagte Körting. "Das bedeutet aber nicht, dass wir Entlassene hier aufnehmen sollten." Bei den Insassen handle es sich um potenzielle Gefährder der Sicherheit Deutschlands, selbst wenn man ihnen strafrechtlich nichts nachweisen könne.

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) lehnt eine deutsche Eigeninitiative zur Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen in Deutschland ab. Er plädierte dafür, zunächst ein offizielles Aufnahmegesuch der USA abzuwarten.

"Deutschland hat Guantanamo nicht errichtet. Wir haben diese Haftanstalt nicht genutzt. Also muss dieses Problem zunächst einmal von den USA gelöst werden und dann von den Herkunftsländern der dort Inhaftierten", sagte Bosbach. Sollte es aber Personen geben, die aus humanitären Gründen nicht in ihre Heimatländer zurückgeführt werden könnten, weil ihnen dort Folter oder die Todesstrafe drohe, dann solle Deutschland im Rahmen der Europäische Union überlegen, wie man helfen könne, fügte er hinzu.

Doppelte Rolle von Steinmeier

Einen unangenehmen Nachgeschmack hat das Angebot von Steinmeier allerdings. So fragt die "Schweriner Volkszeitung": "Warum also die Eile und Geschäftigkeit, Herr Kandidat? Steinmeier geht es hier wohl weniger um die Sache, als um eine weitere Möglichkeit, sich zu profilieren." Und "Financial Times Deutschland" erinnert daran, dass sich Steinmeier noch 2002 als Kanzleramtschef dagegen gesperrt hat den Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz zurück nach Deutschland zu holen. Obwohl die Geheimdienste beider Länder von der Unschuld Kurnaz' überzeugt waren.

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