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Guantánamo: Deutschland könnte bald Häftlinge aufnehmen

Die Bundesregierung gibt einem Medienbericht zufolge ihre Zurückhaltung auf - und könnte bald Ex-Gefangene des Straflagers aufnehmen. Auch konkrete Namen sind im Gespräch. In der Union regt sich bereits Widerstand.

Die Bundesregierung will nach einem Bericht des Magazins Spiegel nun womöglich doch Häftlinge aus dem umstrittenen Gefangenenlager Guantánamo aufnehmen, die vor der Freilassung stehen. Eine deutsche Delegation habe in der vergangenen Woche in dem US-Militärgefängnis auf Kuba Gespräche mit Insassen geführt, die für eine Aufnahme infrage kämen, berichtet das Magazin. Vertreter unter anderem des Innenministeriums und des Bundeskriminalamtes hätten sich bei dem Treffen ein Bild von den Häftlingen machen wollen. Auf dieser Grundlage werde Innenminister Thomas de Maizière eine Entscheidung fällen.

Ein Ministeriumssprecher in Berlin bestätigte, dass das Innenministerium in Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt und dem Auswärtigen Amt "erneut Gespräche mit den Vereinigten Staaten zu dieser Frage aufgenommen" habe. Dabei gehe es um "einzelfallbezogene Prüfungen."

Dem Spiegel zufolge soll es konkret um einen Palästinenser aus der West Bank gehen, der der Predigervereinigung Tabligh-i-Jamaat angehört und in Pakistan festgenommen wurde. Im Gespräch sei auch ein weiterer Gefangener aus Jordanien. Dieser war im Sommer 2001 nach Afghanistan gereist. Auch ein Syrer, der Ende 2001 in einem Krankenhaus in Kabul behandelt wurde und kurz danach festgenommen worden war, soll einer der Kandidaten für eine Übernahme sein. Alle Gefangenen sind von der amerikanischen Regierung zur Freilassung vorgesehen.

In der Union regt sich bereits Widerstand gegen die mögliche Aufnahme. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte der "Bild am Sonntag": "Ich habe grundsätzliche Sicherheitsbedenken bei der Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen." Werde Deutschland ehemalige Häftlinge aufnehmen, müsse jeder einzelne überprüft werden, um Sicherheitsbedenken auszuräumen. Bosbach weiter: "Die USA müssen uns überzeugend darlegen, warum diese Personen noch nicht freigelassen wurden, die USA sie nicht aufnehmen will und warum sie nicht in ihr Heimatland einreisen können."

Im vorigen Jahr hatte die Bundesregierung die Aufnahme von Uiguren aus dem Gefangenenlager abgelehnt. Darüber war es zum Streit in der damaligen großen Koalition gekommen. Während seinerzeit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit einer Aufnahme den Kurs von Amerikas Präsidenten Barack Obama zur Schließung des Lagers unterstützen wollte, lehnte der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) dies ab.

Von den neun ursprünglich von der US-Regierung angebotenen Häftlingen sind mehrere bereits in anderen Ländern untergekommen. Am Dienstag hatten die US-Behörden drei Häftlinge nach Georgien transferiert. Zwei weitere sind am Mittwoch in die Schweiz überstellt worden. Wie das Justizministerium in Washington bekanntgab, sollen die Männer des Volksstamms der Uiguren dort nach ihrer Entlassung aus dem US-Gefangenenlager eine neue Heimat finden. Die Schweiz hatte sich bereiterklärt, zwei der insgesamt sieben freigelassenen chinesischen Muslime aufzunehmen.

Fünf weitere Uiguren haben das Angebot, sich nach ihrer Entlassung im pazifischen Inselstaat Palau niederzulassen. Die Gruppe hatte vergeblich darauf geklagt, in den USA bleiben zu dürfen. Gegen die Rückkehr in ihre Heimat gibt es Sicherheitsbedenken. Die Uiguren sind ein muslimisches Volk, von dem ein Teil in China lebt. Peking hat mehrere Uiguren-Gruppen zu terroristischen Vereinigungen erklärt.

US-Präsident Barack Obama will Guantánamo schnellstmöglich schließen. Allerdings musste er das angekündigte Datum im Januar dieses Jahres verstreichen lassen. Einer der Gründe war die fehlende Bereitschaft anderer Länder, ehemalige Häftlinge aufzunehmen. In Guantánamo werden derzeit noch 183 Terroristen beziehungsweise Terrorverdächtige festgehalten. (ZEIT ONLINE, dpa)

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