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Guido Westerwelle: FDP: Hartz schlägt Hoteliers

Wenn Westerwelle an diesem Montag die Mitglieder des FDP-Präsidiums zum regelmäßigen Treffen um sich schart, dann wird der Runde zweifellos kein besonders stolzer Vizekanzler und Außenminister vorsitzen, dafür ein umso zufriedenerer Parteichef.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Ob er das Zeug zum guten Außenminister habe, darüber gingen die Meinungen nach rund hundert Amtstagen ja tüchtig auseinander, hatte Guido Westerwelle unlängst launig einem größeren Kreis anvertraut. Über eines allerdings ließe sich wohl wenig streiten: darüber nämlich, dass er ein guter Wahlkämpfer sei.

Wenn Westerwelle an diesem Montag die Mitglieder des FDP-Präsidiums zum regelmäßigen Treffen um sich schart, dann wird der Runde zweifellos kein besonders stolzer Vizekanzler und Außenminister vorsitzen, dafür ein umso zufriedenerer Parteichef. Denn eine gute Woche erst ist Westerwelle aus dem Äußeren zurückgekehrt: Und schon schämen sich seine treuen Anhänger ein bisschen weniger für den misslungenen Regierungsstart mit Hotelier-Steuergeschenken und Millionenspende. Bei zehn Prozent (ein Plus von zwei Punkten) notieren die Demoskopen der FDP in ihrer jüngsten Bewertung, der zuvor gemessene Abwärtstrend scheint elf Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gestoppt. Westerwelles lautstarkes Getöse um die vergessenen Leistungsträger und den bräsigen Hartz-IV–Sozialstaat hat seine Kernanhänger offenbar wie Metallspäne im Physikunterricht ausgerichtet, wenn der Lehrer vorn auf den Stromknopf drückt.

Die Angelegenheit hat jedoch eine Kehrseite: Je markiger der Parteichef Westerwelle die Reizthesen seiner Partei von der vergessenen Leistungsträger-Mitte artikuliert und damit die Anhängerschaft um sich schart, desto fragwürdiger wird für die Öffentlichkeit die Befähigung des Vizekanzlers Westerwelle zu einer Regierungsarbeit, die nicht nur FDP-Klientel, sondern das ganze Land voranbringt. Die Mahnung der Bundeskanzlerin davor, gesellschaftliche Gruppen gegeneinander auszuspielen, legte dieser Tage den Grundkonflikt der FDP offen: Mit der Übernahme der Regierungsverantwortung wächst einem Parteivorsitzenden eine zusätzliche Aufgabe zu. Er muss die Interessen seiner Partei in Einklang bringen mit den Interessen des gesamten Landes – mehr Konsens statt Konfrontation. Äußerungen von FDP-Spitzen aus Hessen und Nordrhein-Westfalen unmittelbar nach Westerwelles Hartz-IV-Kampagnenstart zeigen, dass dies auch in der Partei so gesehen wird. Macht „auf breitere Schultern verteilen“ heißt dabei, die Frage zu debattieren, ob sich Westerwelle für eine der beiden Rollen entscheiden muss, wenn die FDP in vier Jahren ihr 15-Prozent-Wahlergebnis bestätigen und nicht wieder ins einstellige Klientel-Milieu zurückfallen will.

Fürs Erste hat Westerwelle selbst die sacht auflodernde Diskussion beendet. Zwei Prozentpunkte Umfragezuwachs in einer Woche: Das muss ihm erst mal einer nachmachen. „Ich bin der Vorsitzende der FDP“, unterstrich er in der „Bild am Sonntag“ selbstbewusst, „mit einer eigenen Meinung“. Will sagen: Noch gebe ich hier Richtung und Ton an. Zumal sich der zweite Mann in der Partei, NRW-Landeschef Andreas Pinkwart, Anfang Februar selbst ins Aus geschossen hat. Wer erst lautstark die (Mehrwert-) Steuererleichterungen propagiert, um sich kurze Zeit später der breiter werdenden Kritikerschar gegen die eigene Bundespartei anzuschließen, darf hinterher nicht darauf hoffen, als ernst zu nehmende Stimme bei der innerparteilichen Machtdebatte beachtet zu werden.

Die nächste Gelegenheit für die Machtfrage folgt frühestens Mitte Mai. Dass Westerwelle den straffen FDP-Kurs bis dahin verlassen wird, ist unwahrscheinlich. Noch vor der Wahl am 9. Mai in NRW will er zum Bundesparteitag in Köln sein Steuersenkungsversprechen konkretisieren und die dazugehörigen Sparvorschläge vorlegen. Das wird auf die Eisenspäne erneut wie ein Knopfdruck wirken. Reicht das Magnetfeld dann am Wahlabend aus, um die FDP über sechs Prozent zu heben und in der Koalition zu halten, darf man davon ausgehen, dass dem Parteivorsitzenden als Retter in der Not breit gehuldigt werden wird. Geht es allerdings schief, wird die Entscheidungsfrage an Westerwelle vernehmlicher gestellt werden.

Nicht unbeachtet bleiben sollte in diesem Zusammenhang der Auftritt des noch jungen Generalsekretärs Christian Lindner, der sein Amt bislang offenbar nicht nur kommunikativ gänzlich anders als seine Vorgänger ausfüllt, nämlich nicht als Lautsprecher seiner Partei. Auch inhaltlich baut Lindner gerade an einem sehr versöhnlichen Bild der FDP. Ausgerechnet in der Woche, in der sein Parteivorsitzender mit besonders heftiger Provokation hervorgetreten ist, hat Lindner den Auftakt für eine sozial-versöhnliche, konsensuale Grundsatzprogramm-Diskussion gemacht.

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