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Politik: Gut, dass wir nicht drüber geredet haben

Schröder in China, Straw in Iran und jetzt Chirac in Tunesien – das Thema Menschenrechte sparen sie sich lieber

Wie zeigt man bei einem Staatsbesuch, dass man den Gastgeber schätzt? Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac, seit Mittwoch Gast des tunesischen Präsidenten Zine al-Abidine Ben Ali, hat zunächst einmal die Schauspielerin Claudia Cardinale im Schlepptau. Die dort geborene Filmdiva soll die Nähe zwischen dem einstigen französischen Mutterland und dem seit 1956 unabhängigen Tunesien dokumentieren. Aber wie zeigt man es noch? Man kritisiert seinen Gastgeber nicht – und nimmt ihm besser gleich die Angst, man könnte es tun. So stellte Chirac Tunesien eine Art Persilschein in Sachen Menschenrechte aus. Als „erste Menschenrechte“ zählte der Franzose Nahrung, Ausbildung und ein Dach über dem Kopf auf. So gesehen sei Tunesien „weiter fortgeschritten“ als viele andere.

In der Tat kann das Mittelmeerland bessere Wirtschaftsdaten vorweisen als seine arabischen Nachbarn. Chirac lobt die tunesische Menschenrechtslage zudem just zu einem Zeitpunkt, da fünf Staatschefs des nördlichen Mittelmeerraums und fünf aus nordafrikanischen Ländern in Tunis zusammenkommen: Beim „Fünf-plus-fünf-Gipfel“ am Freitag und Samstag wollen Portugal, Spanien, Frankreich, Italien und Malta sowie Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Mauretanien gemeinsame Wege beim Kampf gegen Terror und illegale Einwanderer suchen.

Doch Frankreich empört sich. Die Zeitung „Le Monde“ kommentierte, es gebe keinen Grund, das „ultra-autoritäre Regime“ in Tunis zu verteidigen. Immer noch werde in Tunesien die Opposition geknechtet, Folter sei üblich, von Pressefreiheit könne keine Rede sein, und die Tunesier stünden unter „Dauerüberwachung durch ein Heer von Polizisten und Informanten“. Damit ergeht es Chirac nicht anders als dem deutschen Kanzler, der sich bei seinem Besuch in China für die Aufhebung des Waffenembargos gegen Peking einsetzte. Vor allem die Grünen warfen ihm vor, die Menschenrechte zu vernachlässigen. Und auch der britische Außenminister Jack Straw ist im Zweifel bereit, die Menschenrechte in anderen Teilen der Welt gegen vermeintlich Wichtigeres abzuwägen. Bei seinem Besuch in Iran im Juni sprach er zwar von Menschenrechten, forderte aber nur die Offenlegung des Atomprogramms.

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