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Politik: Gut gegen Böse

Bush distanziert sich von Ideen der Baker-Kommission. Nahostexperte sieht Ideologien aufeinanderprallen

James Baker ahnte wohl, was mit dem Bericht seiner Irak-Arbeitsgruppe in den politischen Mühlen des Capitol Hills und des Weißen Hauses passieren würde. „Ich hoffe, wir behandeln ihn nicht wie einen Fruchtsalat: ‚Ich mag das, ich mag das nicht …‘ Er ist eine ganzheitliche Strategie, um mit den Problemen fertig zu werden, denen wir im Irak gegenüberstehen“, hatte der frühere Außenminister noch bei der Vorstellung des Reports gesagt. Doch schon wenige Tages später ist das Rosinenpicken in vollem Gange.

Präsident George W. Bush hat sich bereits von zwei Schlüsselforderungen der Kommission distanziert. Einen Abzug der Truppen innerhalb der kommenden 15 Monate hält er für wenig realistisch, einen Dialog mit Syrien und Iran ohne Vorbedingungen lehnt er ab. Außenministerin Condoleezza Rice schweigt eisern zu den Vorschlägen, die ihrer bisherigen Politik in Nahost entgegenlaufen.

Er müsse bei seiner Entscheidung, wann welche Truppen abgezogen würden, „flexibel und realistisch“ sein, sagte Bush nach seinem Treffen mit dem britischer Premier Tony Blair am Donnerstag. Auf einen festen Zeitplan will er sich nicht festnageln lassen. Von Syrien und Iran forderte er, Teheran müsse seine Atompläne aufgeben, Damaskus seine Einmischung im Libanon und beide die Unterstützung von Terroristen einstellen. „An einem Tisch mit den USA zu sitzen, ist einfach: Triff Entscheidungen, die zu Frieden führen, nicht zu Konflikt“, sagte Bush.

Baker und der Mitvorsitzende der Arbeitsgruppe, der frühere demokratische Abgeordneten Lee Hamilton, versuchten vor dem Kongress die Differenzen herunterzuspielen. Es sei ihm nicht daran gelegen, Bush wegen seiner Irakpolitik in die Ecke zu drängen, so Baker. Hamilton betonte: „Jedes einzelne Statement, das der Präsident bislang gemacht hat, war positiv.“ Dass er nicht alle 79 Vorschläge sofort übernehmen werde, sei zu erwarten gewesen. Bush will Lageberichte des Pentagons, des Nationalen Sicherheitsrates und dem Außenministerium abwarten, ehe er seine neue Strategie verkündet.

Rice schweigt. Statt Syrien und Iran in die Konfliktlösung einzubeziehen, setzt sie auf die Isolation beider Länder. Aus ihrem Ministerium verlautet nur, dass die Sichtweise der Baker-Kommission auf den Nahostkonflikt vor 15 Jahren aktuell war – als Baker Vater George H. W. Bush als Außenminister diente. Außenminister Frank-Walter Steinmeier traf sich am Freitag in Washington mit Rice, auch um die Hilfe Berlins bei der Lösung des Nahostkonfliktes anzubieten. Die Baker-Kommission hatte Deutschland als einen potenziellen Vermittler vorgeschlagen. Dennis Ross, Nahostspezialist unter Clinton und in der ersten Bush-Regierung, sieht ein Aufeinandertreffen zweier Ideologien. Baker gehe davon aus, dass Gespräche das Verhalten des Gegenüber ändern könnten, Rice teile die Welt in Gut und Böse. „Die Bösen sind dabei unbelehrbar und sollten nicht belohnt werden“, sagte er der „New York Times“, „die Bush-Regierung denkt mehr in Kategorien eines Regimesturzes als einer Regimeveränderung.“

Blair wird vermutlich noch vor Weihnachten zu einer „persönlichen“ Nahostmission aufbrechen. Blair ist für den Dialog mit Syrien und Iran und sieht die Lösung des Palästinakonflikts als „Kernfrage“ der Nahostpolitik. Vom Baker-Bericht erhoffte sich der Brite Überzeugungshilfe für seine Bemühungen, Bush zu einer aktiveren Rolle in der Nahostpolitik und der Palästinenserfrage zu bewegen. Die Empfehlungen der Kommission „stimmten mit den britischen Auffassungen überein“, hieß es in Downing Street in London. In Washington musste sich Blair vorsichtiger äußern – er darf, wenn er Bush in die neue Richtung drängt, die enge Partnerschaft mit ihm nicht aufs Spiel setzen und nicht die Gemeinsamkeit in der Irakstrategie. Deutlich waren die Differenzen, als Bush Gespräche mit der Palästinenserregierung ohne klaren Gewaltverzicht ablehnte – was der Strategie der „Road Map“ entspricht. Blair, der aus dem Nordirlandkonflikt Erfahrung mit biegsamen Verhandlungspositionen hat, war weniger strikt: Man müsse den Prinzipien der Road Map folgen „und alternativ nach einem anderen Weg“ suchen. Britische Oppositionsparteien fordern eine Dringlichkeitsdebatte über den Bericht der Baker-Kommission. Sie fürchten, dass die Irakstrategie künftig noch mehr von Washington dominiert wird.

Im Irak selbst wurden bei einem US- Angriff auf zwei Häuser einer Großfamilie etwa 20 Menschen getötet. Die US-Armee und irakische Augenzeugen in Al Ishaki rund 120 Kilometer nordwestlich Bagdads, stellten den Vorfall völlig unterschiedlich dar. Der Bürgermeister Amer Aluan sagte, vier Männer der Familie seien bei einem Gefecht mit US-Truppen getötet worden. Anschließend hätten die Soldaten in den Häusern vier Frauen sowie zehn Kinder erschossen. Dann habe die Luftwaffe die Häuser bombardiert. Die US-Armee erklärte, US-Soldaten hätten 20 „Terroristen“ getötet. Bei einem Gefecht zwischen Soldaten und mutmaßlichen Extremisten seien zwei Verdächtige erschossen werden. Bei einem Luftangriff, der notwendig gewesen sei, da die Iraker noch Widerstand geleistet hätten, seien 18 Menschen getötet worden.

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