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Politik: Gut vermittelbar

DIE UNION NACH LEIPZIG

Von Albert Funk

Ihr Leipzig werden sie noch lange loben. Die CDU hat auf ihrem Parteitag nach Jahren der Führungsquerelen Tritt gefasst. Sie hat eine Vorsitzende, die nicht mehr angefochten ist. Sie hat mutige Programme verabschiedet. Sie hat sich als Reformpartei neu erfunden. Angela Merkel hat diesen Parteitag gewonnen. Aber die Kampagne beginnt erst. Bis 2006, bis zur nächsten Bundestagswahl, ist es noch eine lange Strecke.

Merkel führt die erneuerte CDU – aber sie hat das Herz der Partei noch nicht erreicht. Sie hat nicht alle Zweifel beseitigt. Es bedurfte schon der launigen, väterlichen Rede des Altbundespräsidenten Roman Herzog, um die Anspannung in der Partei angesichts des geänderten Kurses in der Sozialpolitik abzufedern. Und der selbstbewussten Rede des Fraktionsvize Friedrich Merz, um der Partei die Gewissheit zu geben, dass klare Worte auch weiter ein Markenzeichen sein werden.

Das Leipziger Hochgefühl wird jedoch bald verfliegen. Morgen schon wird die CDU-Chefin wieder von der Tagespolitik eingeholt, wird der Streit mit Rot-Grün im Vermittlungsverfahren zur Steuersenkung und zur Arbeitsmarktreform der Maßstab sein. Merkel hat dem Kanzler gegenüber einen Vorteil: Sie geht gestärkt aus ihrem Parteitag hervor. Gerhard Schröder hatte vor zwei Wochen in Bochum ein Erlebnis der anderen Art. Merkel könnte triumphieren und blockieren – und Schröder düpieren. Die Äußerungen der nächsten Tage werden in diese Richtung weisen. Eine selbstbewusste CDU erhöht den Preis, den RotGrün für Zugeständnisse zahlen soll. Bis Mitte Dezember wird es noch knirschen und krachen.

Doch zum Scheitern wird es wohl nicht kommen. Denn Merkel muss an einem Konsens im Vermittlungsverfahren gelegen sein. Sie kann ihre Kampagne nicht mit einem großem Krach beginnen, sie muss langsam anfangen. Ihre Zielmarke ist 2006, vielleicht 2005 – falls die SPD Nordrhein-Westfalen verliert und Schröder dann aufgibt. Bis dahin braucht Merkel Zeit, ihr Profil als Reformerin zu schärfen. Dazu gehört, in der Vermittlung hart, aber fair verhandelt zu haben, mit dem Blick fürs große Ganze. Der Bürger liebt staatsmännischen Großmut auch an Staatsfrauen.

Das Vorziehen der rot-grünen Steuerreform ist in Leipzig ein Stück wahrscheinlicher geworden. Merkel wird sich hier nicht verkämpfen. Außerdem bedeutet eine Steuersenkung jetzt, dass Rot-Grün mit dem Steuerthema danach länger nichts mehr gewinnen kann. Denn zum Verteilen gibt es in den nächsten Jahren nichts. Für die Auseinandersetzung mit Rot-Grün in den kommenden Jahren gibt Merkel der Sozialreform eindeutig den Vorzug; Merzens Steuerkonzept hat sie dem untergeordnet. Es ist nicht mehr die Rede davon, dieses Konzept schon 2004 in die Tagespolitik einzubringen. Auch hier braucht Merkel Zeit: Eine solch radikale Steuerreform lässt sich leichter vermitteln, wenn die Wirtschaft in Schwung ist und die Bürger optimistisch sind. Macht Merkel bei der rot-grünen Steuersenkung mit, ist der Aufschwung, der sich andeutet, nicht so eindeutig Schröders Aufschwung, sondern auch ihrer. Verhindert sie dagegen die Steuersenkung, und die Wirtschaft lahmt doch weiter, trägt allein Merkel die Schuld, dass ein Aufschwungsignal verpasst wurde.

Die CSU wird Merkel und der CDU hinfort nur noch kleinere Probleme bereiten. Stoiber & Co. haben die Phase des Blues in der CDU weidlich genutzt; die geht nun zu Ende. Das hat das Treffen in Leipzig durch sein sehr dosiertes Interesse der Delegierten an Stoibers Rede deutlich gemacht. Der bayerische Löwe hat erstmals seit Jahren den Parteitag der CDU nicht für sich gewonnen. Denn die Löwin war schon da.

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