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© dpa

Guttenberg in Amerika: Anders als Westerwelle

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist beim Besuch in den USA und in Kanada ganz in seinem Element - und weniger vorsichtig als sein Kabinettskollege, Außenminister Guido Westerwelle.

Er gilt als Neuling. Aber er tritt auf wie ein alter Hase. Wenige Wochen erst ist Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Verteidigungsminister. Neue Minister reden meist vorsichtig, tasten sich in ihre neue Rolle hinein und sind bedacht, bloß keinen Fehler zu machen. Man kann das an Guido Westerwelle beobachten.

Ganz anders Guttenberg. Bei seinem Antrittsbesuch in Washington und bei seinem Auftritt vor dem Halifax International Security Forum in Kanada fühlt er sich offenkundig in seinem Element. Er lässt Detailkenntnis durchblicken, zum Beispiel in der Frage amerikanischer Atomwaffen auf deutschem Boden. Er redet wie einer, der seine Ansichten zur Verteidigungspolitik über Jahre gefestigt hat.

Er erlaubt es sich, schon jetzt einen Meinungswechsel zu verkünden. Welcher andere Minister tut das nach so kurzer Amtszeit? Auch er habe früher zu jenen gehört, die Afghanistan zum Test für die Zukunft der Nato erklärten, sagt Guttenberg. Heute halte er das für unsinnig. Afghanistan sei ein Test für die Handlungsfähigkeit der internationalen Gemeinschaft. Aber Militär sei dort nur ein Beitrag, und die Existenz der Allianz hänge nicht vom Ausgang ab. Bei den praktischen Fragen für die nächsten Wochen und Monate – wie sieht die neue Afghanistanstrategie aus, braucht die Nato dort mehr Soldaten, und welche Art von Truppen? – wird Guttenberg freilich vorsichtig und flüchtet sich in eher unspezifische Auskünfte. Auch das ist vielsagend.

Seine Auftritte in Nordamerika leitet der neue Minister mit Bemerkungen ein, die auf die Herzen seiner Gastgeber zielen. Mit deren Denken und Fühlen ist Guttenberg vertraut, kaum ein anderer Bundestagsabgeordneter hat die USA in den jüngsten Jahren so regelmäßig besucht wie er. Also beginnt er mit einem Scherz. Als Wirtschaftsminister habe er sich um General Motors kümmern müssen, nun habe er es mit Generalen und „real motors“ zu tun. Deutschland sei in kurzer Zeit einen langen Weg gegangen von einem Land, das sich nicht an militärischen Kampfeinsätzen beteiligte, zum drittgrößten Truppensteller in Afghanistan. Die neue „Normalität“ bedeute mehr Verantwortung. Guttenberg distanziert sich von Haltungen, die in Nordamerika als typisch deutsch gelten könnten. Manche verwechselten die Verantwortung mit dem Auftrag, von einem moralischen Beobachterposten aus vor Handeln zu warnen, spottet er. Er sage: „Auch Nicht-Handeln kann moralisch fragwürdig sein.“ Er vermeidet das Wort „Krieg“ nicht, sondern benutzt es zur Beschreibung der Lage in Afghanistan, diese Ehrlichkeit sei er den deutschen Soldaten und ihren Familien schuldig.

Die Amerikaner werden hellhörig, als er betont, Deutschland sei bereit, „unsere Rolle an die neue Strategie anzupassen“. Klingt das wie das Angebot, den deutschen Militärbeitrag zu erhöhen? Doch so will der Minister nicht verstanden werden. Zunächst werde der Bundestag das Afghanistanmandat verlängern, mit der gleichen Obergrenze wie bisher.

Eine Entscheidung, ob und wie sich der deutsche Beitrag verändere, könne erst nach der Afghanistankonferenz im Frühjahr 2010 fallen. Das hänge auch von der Strategiedebatte in der Nato ab. Doch jetzt warte man erst einmal, für welche Strategie sich Präsident Obama entscheide. Er hoffe, man werde in ein paar Tagen klarer sehen und beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister Anfang Dezember auf dieser Grundlage diskutieren können. Das hört sich anders an als bei Westerwelles Besuch in Washington. Der Außenminister hatte betont, Deutschland nehme großen Einfluss auf die neue Afghanistanstrategie der USA. Überhaupt seien alle Nato-Partner da gleichberechtigt beteiligt.

Bei Guttenberg klingt es eher nach einer Rangordnung, sowohl zeitlich wie hierarchisch. Die USA haben den primären Einfluss, denn sie stellen mit Abstand die meisten Truppen. Bis Jahresbeginn 2009 waren der US-Beitrag und der Beitrag aller übrigen Nato-Partner zusammen genommen etwa gleich groß: je gut 30 000 Mann. Nach der jüngsten US-Truppenverstärkung ist das Verhältnis zwei Drittel zu ein Drittel. Wenn Obama noch mehr Soldaten schickt, könnte es 2010 drei Viertel US-Truppen zu ein Viertel übrige Nato sein. Wer zahlt, schafft an.

Das bedeutet für Guttenberg keine blinde Gefolgschaft. Die USA könnten nicht einseitig Strategien festlegen und erwarten, dass die Partner mitziehen. Deshalb sei es für Amerika klüger, vorab zu überlegen, wozu die Verbündeten bereit seien. Deutschland entscheidet am Ende souverän über seinen Beitrag. Und Guttenberg verlangt, die Frage der Atomwaffen auf deutschem Boden müsse gemeinsam in der Nato beraten werden. Es sei ja niemandem gedient, wenn die USA sie aus Deutschland in ein Nachbarland verlagern, zum Beispiel Polen.

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