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Politik: Häppchen zur Fastenzeit

Ärger vor der Islamkonferenz: Die Muslimverbände sehen sich vom Innenminister unterschätzt

Berlin - Noch wenige Tage bis zur Islamkonferenz, zu der Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für den kommenden Mittwoch eingeladen hat – doch die wichtigsten Gäste sind einigermaßen verbittert. „Bei den uns bisher vorliegenden Informationen ist aus unserer Sicht das konkrete Ziel der deutschen Islamkonferenz noch nicht erkennbar“, monieren die Verbände der deutschen Muslime in einer gemeinsamen Erklärung. „Außerdem berücksichtigt die jetzige Zusammensetzung der Teilnehmer nicht die Selbstorganisation der Muslime.“

Was die Presseerklärung nur andeutet, formulieren Verbandsvertreter im Gespräch weit härter. Sie ärgern sich, dass das Innenministerium sie bisher nicht über das Programm der Konferenz informiert hat. Besondere Bitterkeit steckt allerdings in dem diplomatisch formulierten Punkt „Selbstorganisation“. Die vier Verbände – die offizielle türkische Muslimvereinigung Ditib, der Islamrat, der Verband der islamischen Kulturzentren und der Zentralrat der Muslime – sehen sich von der Politik nicht genügend ernst genommen. Sie vermuten dahinter Methode: „Erst hieß es jahrelang, es gebe auf muslimischer Seite keine Ansprechpartner“, klagt ein Verbandsfunktionär. „Seit wir immer öfter gemeinsam handeln, heißt es: Ihr vertretet ja gerade mal 15 Prozent der Muslime.“

Die Verbände hingegen sehen sich als Vertreter von etwa 50 Prozent der praktizierenden Muslime und von 80 Prozent der etwa 2 500 Moscheen. Die Berechnungen der Behörden gingen regelmäßig von den Mitgliedern der Moscheegemeinden aus. Dem halten die Verbände die tatsächliche Zahl der Gläubigen entgegen, die sich etwa beim Freitagsgebet in einer Moschee versammelten. Das sei ein Zigfaches der eingetragenen Mitglieder. Die Glaubenspraxis sei auch regelmäßiges Kriterium, wenn deutsche Gerichte die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft feststellten. „Die Debatte wird sehr ideologisch geführt, und empirisch ist wenig bekannt“, sagt Mounir Azzaoui, der Sprecher des Zentralrats der Muslime. Darüber müsse bei der Islamkonferenz gesprochen werden.

Es sieht danach aus, als werde der deutsche Dialog mit dem Muslimen noch eine Zeit lang stottern. Etwas linkisch wurde schon der Integrationsgipfel im Kanzleramt Mitte Juli geplant: Hickhack um Datum und Teilnehmerliste, späte Information der Geladenen und schließlich ein Termin am Freitag, dem islamischen Sonntag. Auf der Islamkonferenz wird der Zusammenprall der Kulturen nun schon bei den Häppchen beginnen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ spottet: Ausgerechnet zu Beginn des Fastenmonats Ramadan, wenn gläubige Muslime zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang weder essen noch trinken, lädt das Innenministerium die Teilnehmer zum Imbiss nach dem Treffen.

Die vier Verbände waren am Freitag nach Tagesspiegel-Informationen knapp davor, ihre Teilnahme an der Konferenz abzusagen. Nach der Aufregung in der islamischen Welt um die Regensburger Papstrede habe man die Situation aber nicht weiter aufheizen wollen. In der gemeinsamen Erklärung vom Freitag begrüßen die Verbände nun bei aller Kritik „das Bemühen der Bundesregierung ausdrücklich“ – und das ist mehr als eine freundliche Floskel. Immerhin hat vor einem Jahr erstmals ein Dialog auf höchster Ebene begonnen, die Kanzlerin hat sich eine Staatsministerin für Integration ins eigene Haus geholt und im Innenministerium ist das Gespräch mit Migranten und Muslimen nicht nur Chefsache. Das scheint auch dem innerislamischen Gespräch zu nutzen. Man habe sich zwar schon öfter gemeinsam geäußert, sagt ein Teilnehmer. „Aber so breit wie diesmal war der Konsens in einer aktuellen innenpolitischen Frage noch nie.“

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