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Politik:  Haiti sucht den Trümmer-Staatschef

Die Rückkehr von Ex-Präsident Aristide in das Erdbebenland überschattet die zweite Runde der Wahlen

Puebla - Zwei Tage vor der Präsidentschaftswahl hat Ex-Präsident Jean-Bertrand Aristide am Freitag um 9.05 Uhr erstmals wieder haitianischen Boden betreten – gegen den Willen der USA, die neue Unruhen in dem ohnehin instabilen Land befürchten, und mit politischen Ambitionen: Unmittelbar nach der Landung auf dem Flughafen der Hauptstadt meldete er Ansprüche an und forderte, seine Bewegung Fanmi Lavalas wieder in die Politik aufzunehmen. Die Bewegung ist zur Wahl an diesem Sonntag nicht zugelassen.

Er sei „zufrieden, nach sieben Jahren im Exil in die Heimat zurückzukehren”, sagte der 57-Jährige, der vom Generalsekretär der Präsidentschaft, Fritz Longchamp und einer Delegation von 50 Anhängern seiner Partei in Empfang genommen wurde. Begleitet wurde Aristide unter anderem von dem mit ihm befreundeten Schauspieler Danny Glover. Aristide, der 2004 nach einer Revolte das Land Hals über Kopf verlassen musste, genießt vor allem in den Armenvierteln noch großen Rückhalt. Seine Rückkehr ist nach Auffassung von Beobachtern ebenso wie die Rückkehr des Ex-Diktators Jean-Claude Duvalier Anfang des Jahres Teils des Politpokers um die Macht in Haiti. Derjenige, dem Aristide für die Wahl am Sonntag das Vertrauen ausspricht, kann sich große Chancen ausrechnen, der nächste Präsident zu werden. Aristide, so das Kalkül des scheidenden Präsidenten Rene Preval, könne dazu beitragen, der aktuellen Machtclique Einfluss zu sichern. Preval ist ein Ex-Minister und Vertrauter Aristides. Sein „Kronprinz“ ist jedoch auf Druck der internationalen Gemeinschaft wegen Wahlbetrugs aus dem Rennen genommen worden.

Letzten Umfragen zufolge liegt in der Stichwahl Michel Martelly mit 53 Prozent vorne, ein politisch unbeleckter Sänger, der in den vergangenen Wochen eine Schar ebenso schillernder wie zwielichtiger Gestalten um sich geschart hat, darunter auch einige Schergen Duvaliers, gegen den in Haiti ein Verfahren wegen Korruption eröffnet wurde. Unterstützt wird Martelly auch vom populären Sängerkollegen Wyclef Jean, der selbst gerne Präsident hätte werden wollen, wegen eines fehlenden Wohnsitzes in Haiti aber nicht zugelassen worden war.

Gegnerin Martellys ist die 70-jährige Intellektuelle und ehemalige Präsidentengattin Mirlande Manigat. Die in Frankreich ausgebildete Politologin lag zwar in der ersten Runde vorne und gilt als integer und politisch erfahren, spricht mit ihrer spröden Art aber eher die kleine Mittel- und Oberschicht an. Zudem wird die Mulattin zur bürgerlichen Elite gezählt, während über 90 Prozent der Haitianer Nachfahren schwarzer Sklaven und 60 Prozent Analphabeten sind. Der Sieger der Wahl wird mit dem Wiederaufbau des Landes betraut werden, für den die Internationale Gemeinschaft zehn Milliarden Dollar zugesagt hat. Sandra Weiss

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