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Klar machen für die Bodenoffensive: Israel plant die Einberufung von bis zu 75 000 Reservisten.

© dapd

Hamas beschießt Jerusalem: Israel plant Einberufung von bis zu 75 000 Reservisten

Islamisten feuern ununterbrochen Raketen auf israelisches Gebiet ab. Die Luftwaffe fliegt mehr als 460 Angriffe auf den Gazastreifen. Kanzlerin Merkel macht radikale Palästinenser für die Eskalation verantwortlich.

Die Lage im Nahen Osten spitzt sich immer weiter zu. Am Freitag feuerten militante Islamisten erneut Dutzende Raketen auf israelisches Territorium ab. Zwei Geschosse, vermutlich aus iranischer Herstellung, sollten die Mittelmeermetropole Tel Aviv treffen. Auch im Großraum Jerusalem schlug eine palästinensische Rakete ein – zum ersten Mal seit 1970. Es gab aber keine Verletzten. Die Hamas hatte offenbar bereits am Freitagmorgen eine vereinbarte Waffenruhe nicht eingehalten. Während eines Kurzbesuchs des ägyptischen Regierungschefs Hescham Kandil im Gazastreifen schoss die radikalislamische Hamas binnen zwei Stunden mehr als 50 Raketen ab und traf Häuser im südisraelischen Aschkelon. Die israelische Armee reagierte mit Luftangriffen, bei denen mehrere Menschen starben.

Insgesamt stieg seit Beginn der Militäroperation „Säule der Verteidigung“ die Zahl der palästinensischen Opfer auf 31, auf israelischer Seite kamen bislang drei Menschen ums Leben. Vor der geplanten Kampfpause hatte Israels Luftwaffe Raketenlager und Abschussrampen der Hamas beschossen. Offiziellen Angaben zufolge wurden seit Mittwoch mehr als 460 Angriffe geflogen. Nach palästinensischen Angaben wurde Ahmed Abu Dschalal, ein weiterer Kommandeur der Hamas, im Gazastreifen getötet. Zuvor hatte Israel am Mittwoch den Militärchef der radikalislamischen Organisation, Ahmed al Dschabari, getötet.

Bei seinem dreistündigen Aufenthalt im Gazastreifen verurteilte Ägyptens Premier Kandil Israel zwar scharf. Gleichzeitig kündigte er aber an, dass Kairo sich um die Vermittlung eines Waffenstillstands bemühen werde. Dennoch machte die Regierung von Benjamin Netanjahu deutlich, dass sie prinzipiell zu einer Bodenoffensive bereit ist. Nach einem Bericht der Zeitung „Jerusalem Post“ will Verteidigungsminister Ehud Barak statt 16 000 nun bis zu 75 000 Reservisten für eine mögliche Bodenoffensive zu den Waffen rufen. In der Nähe der Grenze zum Gazastreifen fuhren Panzer und Panzerhaubitzen auf. Alle großen Verkehrsadern um den Gazastreifen wurden abgesperrt. Unklar blieb am Freitag, ob ein Einmarsch in den Gazastreifen unmittelbar bevorsteht. Die israelischen Sicherheitskräfte gehen davon aus, dass die Hamas, unterstützt von Teheran, seit der letzten israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen vor vier Jahren massiv aufgerüstet hat und über etwa 12 000 Raketen verfügt.

Ungewohnt deutlich wird inzwischen von mehreren Seiten das Vorgehen der Hamas kritisiert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) machte die seit 2007 im Gazastreifen regierenden Islamisten für die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten verantwortlich. Der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter sagte in Berlin, es gebe keinerlei Rechtfertigung für den Abschuss von Raketen, unter denen die Zivilbevölkerung in Israel leide. Ähnlich äußerte sich Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Israel habe „das Recht, sich zu verteidigen, und auch das Recht, seine Bürger zu schützen“.

Der Sonderbeauftragte der Europäischen Union für den Nahen Osten, Andreas Reinicke, sagte dem Tagesspiegel, es sei „weltweit für keine Regierung akzeptabel“, dass in den vergangenen Wochen aus dem Gazastreifen hunderte Raketen abgeschossen worden seien, die inzwischen sogar Richtung Jerusalem zielten. Die Angriffe aus dem Gazastreifen müssten „sofort enden“, sagte der EU-Beauftragte. Gleichzeitig forderte Reinicke Israel auf, „mit verhältnismäßigen Mitteln“ zu reagieren. Großbritannien warnte vor den Folgen einer Bodenoffensive. Die Regierung in Jerusalem müsse sich bewusst machen, dass dies in der Vergangenheit zu einem großen Verlust an Unterstützung und Sympathie in aller Welt geführt habe, sagte Außenminister William Hague.

Die Türkei, seit einiger Zeit ein erklärter Gegner der israelischen Politik, verurteilte das Vorgehen der Regierung Netanjahu mit scharfen Worten. Außenminister Ahmet Davutoglu bezeichnete die Angriffe auf den Gazastreifen als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. In New York erklärte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, er wolle nach der Eskalation der Gewalt im Nahen Osten „in Kürze“ in die Region reisen.

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